Beitrag
von Borowka » 22.01.2023 21:28
Ballbesitz ist erstmal nicht so schlecht. Wenn ich den Ball habe, hat der Gegner ihn nicht. Und wenn der Gegner ihn nicht hat, dann brennt auch erstmal nichts an. So weit so gut. Was wir über weite Strecken allzu oft abliefern sind Querpässe ohne Tempo und Raumgewinn. Auch das kann sinnvoll sein - je nach Spielsituation. Mit paar Ballstafetten über 5 - 10 Meter kann sich die Mannschaft formieren, hinten rausrücken, in Formation kommen. Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Du kannst auch Langholz über 50 Meter raus aus dem Strafraum spielen, wenn du Glück hast kriegt der einzige Stürmer vorne den Ball, schirmt den mit seinem Körper ab oder provoziert ein Foulspiel - auch dann kann die Mannschaft hinten raus rücken, sich vom Druck befreien und so Meter machen. Beides funktioniert aber eben nur dann, wenn es klappt. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Wir schaffen es nicht, mit Ballbesitz einen Gegner oder eine Spielsituation zu dominieren. Wir sind oft schlampig, verlieren zu viele Bälle, haben kein gutes Positionsspiel. Wenn dann die Mannschaft hinten rausgerückt ist, reicht bei uns oft ein langer Schlag des Gegners und wir stehen im Eins-gegen-Eins. Und da haben wir Defizite.
Wir sind keine Spitzenmannschaft. Wir haben im Spiel gute Momente, da sieht das gut aus, da läuft das Bällchen. Das können wir phasenweise. Dazu gehört Bewegung, Rochieren, Positionswechsel, Direktspiel - und zwar aus dem Ballbesitz heraus. Wir haben das schon gezeigt. Was wir aber viel öfter zeigen ist dieses resignative Verhalten einzelner Spieler nach Ballverlust, dieses gefühlt Ewigkeiten dauernde Einstellen auf die neue Spielsituation, bei manchen Spielern meine ich auch, daß ich sehen kann, daß sie diese Meter hin zum Ball nach Ballverlust oder die Meter nach hinten - und das sind die Meter, die weh tun und wo der hinterherlaufende Spieler auch nicht glänzen kann - einfach nicht machen können oder wollen.
Wenn wir nicht zusammenarbeiten auf dem Platz, dann treten die Defizite unserer Spieler deutlich heraus. Die Schwierigkeiten im Positionsspiel, die nicht zugelaufenen Räume, die Schnelligkeitsdefizite im defensiven Eins-gegen-Eins usw.
Die Spiele zu Beginn der Saison haben gezeigt, daß wir besser ausgesehen haben, wenn wir tiefer stehen. Da haben auch die Außenspieler die Wege nach hinten noch mitgemacht. Irgendwie ist das verloren gegangen. Ballbesitzfußball funktioniert nur, wenn du mit Ball und Tempo einen Gegner bespielen kannst und wenn du in der Rückwärtsbewegung die Räume schließen kannst. Bei einer hochstehenden Verteidigung und nicht nachrückenden Außenspielern sind Ballverluste oft tödlich.
Farke ist kein schlechter Trainer. Er wird schon sehen, was er mit dieser Mannschaft spielen kann. Hecking-Fussball war anscheinend nichts, der Plörre-Fußball auch nicht. Was bei allen gefehlt hat und bis heute fehlt ist Konstanz. Wir schaffen es nicht, mal zwei Spiele hintereinander zu gewinnen. Das hat auch was mit Klasse zu tun. Mit mentaler Stärke. Mit Ehrgeiz. Und dem Willen, zu arbeiten.
Das ist das Hauptmanko dieses meiner Meinung nach immer noch überschätzten Kaders. Wir trauen diesen Spielern viel zu viel zu. Vielleicht weil sie international begehrt sind, ihre Verhandlungen über ihre Berater medienwirksam fast öffentlich zelebrieren. Ein richtig guter Spieler braucht keine richtig gute Mannschaft, um allen zu zeigen, daß er es drauf hat. Und deshalb sind unsere Hochbegabten meiner Meinung nach auch nicht so gut, wie sie gemacht werden. Sie sind ersetzbar.
Egal ob Ballbesitzfußball oder nicht. Wir müssen diesen Kader umbauen in Richtung Mentalität, Laufbereitschaft, Ehrgeiz, Arbeit. Wir müssen eine Einheit werden auf dem Platz. Wir müssen eine Mannschaft auf den Platz schicken können, wo sich jeder sicher sein kann, daß er alles geben kann, will und wird.
Sommer, Ginter, Zakaria, Embolo, Bensebaini, Thuram, Kone, Hofmann, Plea... Sie alle personifizieren für mich auch, daß es diese Mannschaft nicht geschafft hat, trotz hohem Marktwert, allgegenwärtiger Beliebtheit auf dem Transfermarkt, Interesse von manch wirklich großem Club in Europa usw. ihr Leistungsvermögen konstant abzurufen. Und deshalb sind sie auch ersetzbar. Und deshalb wird ihr Verlust auch nicht den Untergang von Borussia zur Folge haben.
Wir werden den Umbruch erleben. Und wir werden ihn ohne Millionen-Ablösesummen bewerkstelligen müssen. Darin liegt auch eine Chance. Dann eben nicht jemanden für 20 Millionen. Oder wieder ein Super-Juwel-Talent aus irgend einer Liga. Dann vielleicht eben doch ein Regal tiefer. Auch dort gibt es leistungsbereite, entwicklungsfähige, talentierte Spieler.
Und dann mal sehen, was Farke anzubieten hat. Diese Chance sollte man ihm geben.
Sorry für die Länge.
Nur meine Meinung.