Beitrag
von altborussenfan » 20.12.2020 09:21
Rose, der große Magier, der Messias, der über Wasser gehen kann?
Ist das nicht Schubladendenken, in die man bei passender Gelegenheit all jene hineinstecken kann, die sich für die Art und Weise begeistern, wie Rose Fußball spielen lassen will. Und ja, ich gehörte auch dazu, die diesen Stilwandel freudig begrüßten. Für mich gehört aufgrund meiner Vita mit Borussia (Stichwort: Weisweiler) die offensive Ausrichtung zur DNA des Vereins. Freilich ist es der Offensivfußball, der immer im Blick hat, dass eine funktionierende Defensive das unverzichtbare Fundament hierfür sein muss.
Was mir in manchen Diskussionsbeiträgen - und ja – speziell bei bestimmten Usern – negativ auffällt, ist eine Tendenz, unter allen Umständen Recht haben zu wollen. Einige tauchen vorwiegend oder sogar ausschließlich dann auf, wenn die Gelegenheit günstig zu sein scheint, den Finger in die Wunde zu legen. Positive Kritik findet man bei ihnen äußerst selten oder überhaut nicht. Da stellt sich mir immer die Frage, was läuft da im Leben schief, wenn man sich so ausschließlich aufs Negative versteift? Verhält sich der- oder diejenige sonst auch so?
Die Gelegenheit scheint gerade günstig zu sein, um zu betonen, dass man den Stil ohnehin nicht mag, der Trainer maßlos überschätzt wurde, man es immer schon gewusst oder geahnt hätte, dass das nicht funktionieren könne, zumindest nicht dauerhaft. Wenn man aber sein Langzeitgedächtnis bemüht oder die Beiträge des jeweiligen Users verfolgt, dann stellt sich heraus, dass Unfehlbarkeit keinem von uns in die Wiege gelegt wurde. Auf der anderen Seite kann man auch nicht trotzig behaupten, Rose mache schon alles richtig. Nur äußere Umstände seien schuld. Auch das ist Rechthaberei - nur umgekehrt.
Rose erreichte mit dem Team die für Borussia eminent wichtige CL-Teilnahme erreicht und überstand in einer enorm schwierigen Gruppe die Gruppenphase. Solange ist das noch nicht her, als wir das gefeiert haben. Auf der anderen Seite vergeht Ruhm kaum so schnell wie im Sport. Der Ligastart ist missglückt. Wir kassieren viel zu viele Gegentore und das sehr leicht. So ehrlich sollte man nach der gestrigen Niederlage sein. Ich wünschte mir zwar insgeheim, dass Borussia vielleicht mal nicht so starten würde wie letzte Saison, weil es von der Spitze eigentlich immer nur abwärts gehen kann, aber jetzt drohen wir abreißen zu lassen.
Ich bin kein Taktikexperte und unfehlbar schon überhaupt nicht. Nach meinem Dafürhalten ist es aber für das Funktionieren jedes Systems entscheidend, wie konsequent man es umsetzt. Wie sieht es denn beispielsweise mit unserem Pressingverhalten momentan aus? Da ist doch eher alibimäßig. Häufig läuft einer mal an, aber der gegnerischen Abwehr bereitet es dann wenig Mühe, sich daraus zu befreien. Ich finde, wir stehen insgesamt sogar eher zu tief. Vielleicht fehlt uns Jonas doch mehr, als ich das für möglich gehalten hätte. Meistens haben wir genug Spieler hinter dem Ball. Das scheint mir nicht das Problem zu sein. Allerdings beobachte ich im Mittelfeld immer wieder große Lücken. Offenbar stimmen die Abstände nicht.
Wenn es zu Flanken in den Strafraum kommt, dann ist der Angreifer in Höhe des zweiten Pfostens häufig mutterseelenallein, obwohl in der Regel genug unserer Spieler in der Nähe stehen. Die stürzen sich aber gerne dahin, wo gerade der Ball zu sein scheint. Heißt, alle eilen in die Mitte. Die Räume dahinter scheinen in den Köpfen irgendwie nicht existent sein. In einem anderen Forum fand ich dafür mal den Ausdruck Sichtverteidigung. Natürlich hat keiner Augen im Hinterkopf, aber man muss doch damit rechnen, dass der „heimtückische“ Angreifer sich im Rücken davonmacht. Bei uns schieben selbst die Außenverteidiger in die Mitte, wahrscheinlich in bester Absicht, um dort zu helfen, wo es gerade brennt. Nur brennt es häufig genug in ihrem Rücken. Um das abzustellen, kann ich den Trainer und sein Team nicht aus der Verantwortung nehmen, so wenig wie die erfahrenen Ginter, Elvedi und Sommer.
Etwa Anderes ist mir zum wiederholten Male aufgefallen. Ein Spieler von uns wird vermeintlich oder tatsächlich gefoult oder aber ein Freistoß ausgeführt, obwohl der Ball noch nicht ruht. Der erwartete Pfiff des Schiris bleibt jedoch aus. Dann folgt der Protest wegen dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit. Zumindest Sekundenbruchteile geht die Konzentration für das Spiel flöten. Spätestens seit dem Rückspiel gegen Mailand - vorher habe ich nicht so sehr darauf geachtet oder es vergessen - hatten wir ein paar solcher Situationen, in Frankfurt der noch nicht ruhende Ball oder gestern das mindestens grenzwertige Einsteigen gegenüber Wolf. Es nützt aber nichts. Solange der Schiri nicht pfeift, geht die Partie weiter. Notfalls unterbricht man das Spiel durch ein taktisches Foul und kann dann immer noch beim Schiri protestieren. Sorry, das ist einfach unprofessionell. Wenn Rose das auch so sieht – zumindest das taktische Foul sprach er gestern an – muss er das mit Nachdruck gegenüber der Mannschaft kommunizieren. Dafür ist er da. Aber auch hier sind die Spieler in der Pflicht. So viele Frischlinge sehe ich bei uns nicht.
Ihr merkt, dass ich durchaus kritisch bin – auch und gerade mit Rose. Trotzdem bleibe ich dabei, dass die Systemfrage eher zweitrangig ist. Was immer man spielen möchte, man muss darin vor allem konsequent sein. Borussia ist das aber über das gesamte Spielfeld und/oder die gesamte Spieldauer aktuell nicht – im Gegenteil. Wahrscheinlich gibt es dafür mehrere Gründe.
Nichtsdestotrotz hätten wir auch mit unserer gestrigen Leistung gewinnen können. Embolo hatte 3 klare Chancen. Für mich ist er in der Spitze nur eine Notlösung. Die komplizierten Tore macht er. Wenn er aber Zeit zum Nachdenken hat, wird das Tor offensichtlich für ihn immer kleiner. Er erzielt zu wenig Treffer für eine Sturmspitze und leider kommt der Gegner durch seine suboptimale Ballannahme zu häufig in Ballbesitz. Er ist immer dann gut und wertvoll, wenn er seine Physis und Schnelligkeit ausspielen kann. Was aber soll man besser machen? Wenn man ihn etwas zurückzieht, dann müsste Stindl vielleicht wieder die falsche Neun geben, solange Plea noch fehlt. Thuram fällt mit Sicherheit länger aus.
Es bleibt nicht aus, Anpassungen vorzunehmen. Für so unflexibel halte ich Rose nicht. Er kam her und wollte mit einer Raute spielen. Er merkte jedoch, dass das der Mannschaft nicht behagt. Warum sollte er nicht in der Lage sein, erneut taktische Anpassungen vorzunehmen. Zeit, diese zu trainieren und zu verinnerlichen, gibt es allerdings nicht viel. In dieser schwierigen Situation muss er den Nachweis erbringen, was wirklich in ihm steckt.