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von VLC007 » 24.11.2010 11:08
@AlanS
Die Aufgabe eines Trainers ist zum einen die höchste Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Spielers zu gewährleisten und zum anderen alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um im Wettkampf die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Ich denke, ausnahmslos jeder diplomierte Fußballehrer ist in der Lage, diese Aufgabenstellung sehr gut zu bewerkstelligen. Ist ja nicht sonderlich schwer. Es gibt klare wissenschaftliche Richtlinien, die bei Einhaltung zu optimalen Ergebnissen der physischen und psychischen Komponenten der Leistungsfähigkeit führen. Desweiteren sind die taktischen Möglichkeiten im Fußball weitesgehend ausgereizt und hinreichend dokumentiert. Es ist also auch hier möglich eine Mannschaft so ein- und aufzustellen, dass die eigenen Stärken potentiert, die eigenen Schwächen minimiert und die des Gegners optimal genutzt werden.
Wo ist das Problem? Das Problem ist, dass dies nur unter "Laborbedingungen" so funktioniert. Wie so oft ist aber die Schwachstelle der Mensch und leider hat man auch im Fußball überwiegend mit dieser Gattung zu tun. Und das Schlimme ist, dass man auf eine ganze Menge Menschen trifft. In der eigenen Mannschaft hat man welche, dann sind auf dem Platz auf der anderen Seite auch noch eine ganze Menge davon, es turnen eine handvoll weitere in schwarzen Hemden mit einer Pfeife rum und es sitzen auch noch sehr, sehr viele einfach nur rum und starren einen an, oder klatschen, oder pfeifen einen aus. Es gibt also manigfaltige physische und auch psychische Interaktion, die ein Trainer eher wenig beeinflussen kann.
Nehmen wir jetzt einfach nur mal die psychische Komponente, denn bei der physischen ist es offenkundig, dass ein Spieler sehr stark für seine eigene Leistungsfähigkeit verantwortlich ist. Er kann im Training über den Platz schleichen, bei den Anweisungen nicht hinhören, mit den Mitspielern Quatsch machen, nach dem Training zu McDonalds fahren, Bienenstich essen, sich volllaufen lassen, bis in die Puppen Playstation spielen etc. pp. Sicher kann ein Trainer dafür sorgen, dass so ein Spieler dann schlicht und ergreifend nicht zum Einsatz kommt, aber seine Form beeinflussen kann er im ursprünglichen Sinne dann nur bedingt.
Die Psyche eines Spielers ist maßgeblich an seiner Leistungsfähigkeit beteiligt. Ich kann körperlich topfit sein, aber wenn ich keinen Bock habe, dann kann ich meine optimale Leistungsfähigkeit nicht abrufen. Motivation wird hier immer als das Thema hingestellt, durch das man entscheidende Vorteile im Wettkampf erreichen kann. Natürlich ist das nicht falsch, aber ich kann topmotiviert sein und ein einziges Mißerfolgserlebnis, ein Fehlpass, ein Fehlschuss, ein Gegentor, ein verschuldeter Elfmeter, ein Anpfiff eines Mitspielers, ein Pfiff aus dem Publikum kann dazu führen, dass meine Motivation von jetzt auf gleich weg ist und Angst mein Handeln konditioniert. Viel wichtiger in meinen Augen als Motivation ist die psychische "Ausdauer", Toleranz, Hygiene, die Fähigkeit sich auf eine konkrete Aufgabe zu focussieren und alles andere auszublenden. Viele Sportler haben diese Gabe, andere erarbeiten sich diese hart (hier insbesondere Sportler aus Individualsportarten, die über langjähriges mentales Training dieses Verhalten erlernen), wieder andere sind nicht dazu fähig.
Will man als Trainer einen einzelnen Spieler mental "programmieren", so muss man zum einen diesen Spieler sehr genau kennen, auf eine persönliche Ebene mit demselben kommen und zudem wissen, welche rollenspezifischen Prozesse in der Mannschaft vonstatten gehen. Und selbst dann garantiert dies keinen Erfolg, denn ein Trainer "beeinflusst" einen Spieler nur in der Zeit, in der er auf ihn einwirken kann. Der Spieler geht dann aber irgendwann nachhause, hat seine Familie an der Backe, trifft sich mit Freunden, liest die Zeitung oder schaut fernsehen. Das ganze ist so fragil, dass in dieser Zeit alles auch wieder den Bach runtergehen kann. Ich denke es ist nachvollziehbar, wo die Grenzen der Trainerarbeit bezüglich der "Form" eines Spielers verlaufen.
Es hat also wenig damit zu tun, ob ein Trainer seine Spieler "erreicht", oder dass die Spieler zu dumm sind, wenn sie auf dem Platz nicht das umsetzen, was der Trainer von ihnen verlangt. Fußball ist eine Interaktionssportart mit unzähligen Variablen und genau das beeinflusst den Erfolg und den Mißerfolg. Kein Spiel ist vorhersagbar und keine einzelne Spielaktion prognostizierbar. Das soll nicht heissen, dass ein Trainer überfüssig ist. Das heisst, dass ein Trainer zu diesem Gebilde gehört und seinen Anteil am Gesamtergebnis hat, genauso wie Spieler, Gegenspieler, Schiedsrichter, Publikum, Medien etc.