@Uli:
Guter Beitrag, ich gehörte auch zu denen, die im Vorfeld ob der Ablösesumme, seiner Verpflichtung, dessen, was ich von ihm gesehen hatte, nicht in Jubelstürme ausgebrochen ist, sondern skeptisch war. Ich hatte mal einen Vergleich mit Marcus Berg gezogen, da herrschte hier auch damals ein Hype, dass der die absolute Granate wäre und was für ein Traum, wenn wir den bekommen würden - der HSV hat ihn und ich glaube, kein Borusse würde ihn aktuell haben wollen....
De Jong hat sicher seine Qualitäten, er hat Talent und hat auch schon bewiesen, dass er ein Knipser sein kann, ist aber halt auch erst 21 Jahre alt, hat bisher "nur" in Holland gespielt und er ist ein Stürmertyp, der ganz anders ist als sein Vorgänger Reus und den hat nicht nur jeder Borusse eben zwangsläufig im Kopf, nein, er sieht ihn auch noch jetzt woanders wirbeln. Angesichts dieser Euphorie hier, der Rekordablöse, der Problematik des Weggangs von Reus, war doch allen klar bzw. hätte allen klar sein müssen, dass de Jong von vornherein unter besonderer Beobachtung steht und vom ersten Spiel an im Fokus der Berichterstattung und Fans steht.
Ja, das ist vielleicht ungerecht und verfrüht, aber so ist der Profifussball heutzutage, Zeit ist ein extrem knappes Gut und leider hat sie heute in diesem Geschäft keiner mehr, wenn zuviel auf dem Spiel steht. Denn die große Frage ist doch, wieviel "Zeit" ist richtig, 8-10 Spiele, eine Halbserie, ein Jahr?? Wie lange kann sich ein Verein, eine Mannschaft es sich leisten, heutzutage einem Spieler, der einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet hat, diese zu geben und damit möglicherweise seine Ziele zu gefährden?? Es wussten doch alle, dass am Anfang die CL-Quali ansteht und der Bundesligastart, wie sich letzte Saison zeigte, ganz entscheidend für den Verlauf der Saison sein kann.
Zwei Spiele sind sicher viel zu früh, doch es gibt auch für mich einfach einige Auffälligkeiten, die erkennbar sind und mir aktuell zu denken geben:
1.) de Jong ist relativ langsam - und zwar nicht nur, was die Antrittsschnelligkeit betrifft, sondern auch die Gedankenschnelligkeit, die Antizipation von Pässen. Letzteres mag an der fehlenden Eingespieltheit liegen, die anderen beiden Punkte, an denen muss er sehr schnell arbeiten, denn in der Bundesliga geht ohne beide als Stürmer wenig, dafür sind die Defensiven zu stark.
2.) Er steht oft mit dem Rücken zum Tor, macht also genau das, was Reus fast nie gemacht hat, einen Ball eher abschirmen und weitergeben, bewegt sich auch eher zum Ballführenden hin, als in die Tiefe zu starten, schafft bisher kaum Räume, macht das Spiel langsamer. Zudem zeigt er - für mich überraschende - Defizite in der Technik bei Ballannahme und Weiterleitung, beides ist aber für unsere Spielweise sehr wichtig und ohne dies fehlt die Torgefahr und Effizienz.
3.) Unsere drei aktuellen Hauptstürmer sind sich zu ähnlich, da hat Favre völlig recht. Stellt sich also die Frage, was bedeutet das, warum haben ME und LF solch einen Stürmertyp geholt, haben sie es nicht erkannt oder waren sie überzeugt, dass sie besser und schneller ein dazu passendes System finden. Haben sie gehofft, dass LdJ auch anders spielen kann als Hanke und IdC. Fragen, die ein Fan durchaus stellen darf, auch ohne die Kompetenzen beider in Frage zu stellen.
4.) LdJ gilt als überragend kopfballstark, bis jetzt habe ich dies in den Spielen aber nicht feststellen können, zum einen, weil zu wenige Flanken von außen kommen, zum anderen, weil er bisher wenige solcher Duelle gewonnen hat, wenn mal Flanken kamen und seine Kopfbälle eher lasch und unpräzise waren. Auch hieran gilt es einfach zu arbeiten, die Mitspieler auf die Stärken von LdJ einzuschwören.
Und trotzdem, es ist viel zu früh, den Stab über den Jungen zu brechen und es ist im Gegenteil viel wichtiger, ihm Selbstvertrauen einzuimpfen und mitzugeben, damit er zu seinen Stärken findet und die auf dem Platz zeigt. Parallel dazu ist es aber ebenso wichtig, Tendenzen früh zu erkennen und gegenzusteuern. Wenn dies bedeutet, dass LdJ einen Partner neben sich braucht, der Lücken reisst, schnell ist, in die Tiefe geht, wenn er Flanken von außen braucht, dann müssen wir schauen, wo wir Spieler im Kader haben, die genau dies können und auf dem Platz umsetzen. Und ich denke, wir haben durchaus solche Spieler im Kader, bei denen man es probieren kann und dazu zähle ich u.a. einen Herrmann, einen Younes, einen Hrgota, einen Cigerci, einen Ring etc.
Sprich, Vertrauen geben, Zeit schenken, aber an Feinheiten und Details arbeiten, an Defiziten und zwar schnell und zügig und den Mut haben, Dinge auszuprobieren, das ist jetzt gefragt. Wie schwer dies ist, da wir auch so ganz nebenbei bald positive Ergebnisse brauchen, am besten einen Heimsieg gegen Hoffenheim, brauche ich niemand zu erklären.