Eine Einschätzung von Axel Torres (Experte für internationalen Fussball bei Marca):
Axel Torres hat geschrieben:Hoffenheim: graue Maus oder Fussballmacht?
Am Freitag verspürte man die Atmosphäre eines Fussballklassikers. Die deutsche Presse verkaufte das Spiel als ein Ereignis nationaler Tragweite, dessen Ankündigung um die Welt ging. Ein ausserordentlich schönes Drehbuch: Die Grossmacht gegen den kleinen Verein, der sich gegen alle Prognosen zum Titelaspirant mauserte. Fans von Traditionsvereinen in sportlicher Schieflage jedoch sendeten eine verzweifelte Botschaft: "Unterstützt Hoffenheim nicht! Der Verein ist nicht das, was er zu sein vorgibt!"
Das wirtschaftliche Potential des Eigentümers hat dem Verein ermöglicht eine Spielklasse zu erreichen, die die überschaubare Anzahl alteingesessener Fans, nie zu träumen gewagt hätte. Nur bis zu welchem Punkt schmälert diese Tatsache die Leistung dieses Wurfs? Als was sollte man Hoffenheim bezeichnen? Als Provinzverein, von dem man nicht erwarten darf, dass er oben mitmischt, oder als neureicher Club, der mit den Besten mithalten kann? Wenn man tiefgründig analysiert stellt man fest, dass die Millionen des Gönners dem Zweck gedient haben, zwei Stars zu verpflichten, die in der zweiten Bundesliga zwar den Unterschied ausmachten, aber dass der Kader mit weiteren Spielern zusammengestellt wurde, die weitaus preiswerter zu haben waren und deren Verpflichtung als Erfolg der hervorragenden Arbeit der sportlichen Leitung angesehen werden muss. Es stimmt, das Geld vereinfacht die Dinge, aber der Club wird bewundernswert geführt.
In der Allianz-Arena sahen viele Fans die überraschende TSG 1899 zum ersten Mal über die gesamte Länge eines Spiels. Die Firma, die die internationalen Fernsehrechte an der Bundesliga an die ausländischen Fernsehsender verkauft, hatte zuvor nur ein einziges Spiel der Hoffenheimer angeboten, so dass das breite Publikum, mit Ausnahme derjenigen, die den Bezahlsender Premiere geknackt hatten, keine grossartige Möglichkeit gehabt hatten das Sensationsteam der deutschen Liga zu studieren. Und was bekamen sie gegen Bayern zu sehen? Eine Mannschaft mit enormem Charakter, die von Anfang an mit Mut und gutem Geschmack den Ball spielen und die Flügel öffnen wollte. Am Ende verloren sie, aber bestanden die Prüfung. Hoffenheim bewies, dass ihre exzellenten Ergebnisse nicht auf Zufall oder auf einen Überraschungseffekt beruhen. Sie basieren auf die gute taktische Arbeit des Trainers und auf eine Gruppe von Spielern grossen Niveus und noch grösserer Perspektive. Das ist nämlich die andere Geschichte. Die Elf, die in München auflief war ausserordentlich jung. Hoffenheim ist also nicht nur eine attraktive Mannschaft für die Fans, sie ist es auch in hohem Masse für die Späher der Top-Clubs. Hopp steht vor einer grossen Herausforderung. Wie weit ist er mit seinem Projekt bereit zu gehen? Widersteht er den schwindelerregenden Offerten, wenn zum Beispiel Bayern € 20 Millionen für Carlos Eduardo bietet? Wird er den Stars astronomische Gehälter zahlen, damit sie nicht zu anderen Vereinen mit wohlklingenderen Namen wechseln? Die Geschichte des Aufstiegs Hoffenheims in die Elite kommt von weit her, erreicht aber zum jetzigen Zeitpunkt eine entscheidende Phase die bestimmen wird, ob sie weiter nach oben führt oder stagniert.
Betrachten wir nun einzeln die Spieler, die in München für Aufsehen gesorgt haben.
Der Stammtorhüter: Der 25 Jährige Daniel Haas kam von Hannover 96 für € 50.000!
Die Abwehr wusste zu gefallen. Schnell, mit der Tendenz zur Antizipation und einer passablen Spieleröffnung.
Der Rechtsverteidiger Andreas Beck, 21 Jahre alt, ist für viele der zukünftige Stammspieler der Nationalmannschaft auf dieser Position. Er wurde diesen Sommer für € 3 Millionen aus Stuttgart verpflichtet.
Die Innenverteidiger, fantastisch! Matthias Jaissle, 20 Jahre, kam vor zwei Spielzeiten aus der Stuttgarter Jugendmannschaft ablösefrei.
Marvin Compper, ein enormer Spieler, Linksfuss, 23 Jahre, wurde von Löw bereits für das Nationalteam nominiert. Er spielte zuvor für Borussia Mönchengladbach und wechselte 2007 für.......€ 200.000! Auch er spielte ehemals in der U 19 Stuttgarts.
Der linke Verteidiger heisst Andreas Ibertsberger, Österreichischer Nationalspieler, 26 Jahre, der Schwächste in der Abwehrreihe. Er kostete vor ein paar Jahren nur € 50.000 mehr als Compper. Zuvor spielte er in Freiburg auf Höhe des Mittelkreises. Er ist technisch versiert, taktisch geordnet, flexibel und geht weite Wege.
Defensives Mittelfeld: Luiz Gustavo, 26 Jahre, ein Phänomen, taktisch abgeklärt, mit viel Spielwitz, einer hohen Laufbereitschaft und einem guten Schuss aus der zweiten Reihe. Für € 1 Million wechselte er diesen Sommer von Corinthians de Alagoano.
Zu seiner rechten Tobias Weis. Auch er wurde für das Englandspiel von Löw nominiert. Vom Typ her ein wuseliger, zentraler Mittelfeldpieler, dynamisch , mit gutem Dribbling und Ballbehandlung. Ein sehr guter Mann, 23 Jahre alt und 2008 aus Stuttgart gewechselt....für nur € 150.000!
Links spielt Carlos Eduardo, 21 Jahre alt, der Star, beidfüssig, feine Technik, wird mit Ronaldinho verglichen. Er kam von Gremio, wo er das Finale der Copa Libertadores erreichte. Das Zusatandekommen des Transfers war eine Überraschung, da er Angebote von wichtigen Clubs vorliegen hatte, aber dennoch in die 2. Liga wechselte. € 7 Millionen kostete der Transfer.
Salihovic, der zur 2. Halbzeit eingewechselt wurde und die Torchance zum 1:2 vergab, ist ein beweglicher Mittelfeldspieler guten Niveaus. Er ist 24 Jahre alt und kam von Hertha für € 250.000!
Der Sturm ist vor allen Dingen schnell. Chinedu Obasi (unter dem Namen Ogbuke bekannt geworden als er in den nigerianischen Jugendmannschaften anfing aufzufallen) ist die andere Starverpflichtung, die noch in der zweiten Liga getätigt wurde. Physisch stark und zugleich technisch versiert wechselte der 22 jährige für € 5 Millionen von Lyn Oslo.
Demba Ba, der technisch eher Schwächste der Mannschaft ist ein 23 Jahre alter Senegalese, der für € 3 Millionen vom belgischen Verein Mouscron wechselte.
Und zum Schluss Vehad Isbisevic. 18 Tore in 16 Spielen, Top Torjäger der Liga, 24 Jahre, wechselte von Alemannia Aachen für € 1 Million!
Hopp verdiente sich eine goldene Nase mit Software und seine Investition war sicherlich ausschlaggebend dafür, dass sein Jugendverein sieben Spielklassen erklomm, bis er in der Bundesliga ankam. Diese Móglichkeiten hatten andere Clubs nicht, die seinerzeit gegen Hoffenheim gewannen, das steht fest. Aber die Zahlen beweisen, dass der Verein eine spektakuläre Mannschaft zusammengestellt hat ohne Unsummen an Geld aus dem Fenster zu schmeissen. Auf einem anderen Blatt steht das gerade neu gebaute Stadion. Aber in rein sportlichen Belangen wurde nur das Nötigste investiert, um den entscheidenden Sprung in die erste Liga zu ermöglichen. Unter diesen Gesichtspunkten kann ich nicht gegen Hoffenheim sein. Ich beneide ihre Planung, ihr Verhandlungsgeschick und das Talent Qualität dort zu erkennen, wo andere es übersehen haben Ja, ich wünsche mir, dass sie die Champions League erreichen.