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von Miami Vice » 30.04.2006 18:30
Sorry, aber der Link zu Seitenwahl funktioniert nicht. Halte den Artikel für deswegen interessant, weil es Einblick in die Vereinsführung gibt und zitiere den hier mal:
17.05.1999 War´s das, Herr Jacobs?
(hjg) Am 01.10.1997 hatte er sein Amt angetreten. Nach dem Rücktritt von Karl-Heinz Drygalsky, der es leid war, stets den Kopf für die Mannschaft hinzuhalten und für die miserablen Leistungen seiner Kicker am Telefon auch noch bedroht zu werden, hatte man verzweifelt einen Nachfolger gesucht und diesen in Wilfried Jacobs gefunden. Niemand wollte die Verantwortung für einen Klub übernehmen, der unter Hannes Bongartz im spielerischen Bereich heruntergewirtschaftet worden war. Und vor allen Dingen wollte niemand Manager und Alleinherrscher Rolf Rüssmann die Stirn bieten.
Der zum damaligen Zeitpunkt 53jährige Wilfried Jacobs gab sich kämpferisch und stellte sich der Aufgabe, ohne zu wissen, daß ausgerechnet er der Präsident werden würde, der in den Jubiläumsschriften des Jahres 2000 als Abstiegspräsident geführt werden würde. Erst wenige Monate zuvor war der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland in den neu gebildeten Aufsichtsrat gewählt worden. Das vom Ehrenrat vorgeschlagene und von der Mitgliederversammlung am 26.06.1997 gewählte Kontrollgremium umfaßte noch die Mitstreiter Michael Viehof, Hermann Jansen und Paul Staas.
Der zunächst vier- und später siebenköpfige Aufsichtsrat, der u.a. das Präsidium bestimmt, übertrug Jacobs den Vorsitz. Doch damit war nur drei Monate später wieder Schluß. Die Leidenszeit des Wilfried Jacobs begann. Er versuchte, sich gegen Rolf Rüssmann durchzusetzen und biß sich zunächst die Zähne aus. Erst zum Ende der vermeintlich schlimmsten Saison, die die Borussia je würde (üb)erleben müssen, gab auch Jacobs zu erkennen, daß man über Rüssmann nachdenke. Das "Wunder von Wolfsburg" sorgte jedoch dafür, daß man die Welt am Bökelberg wieder rosarot sah. Einer der schwersten Fehler in der Vereinsgeschichte.
Man hatte es versäumt, den schon ein Jahr zuvor geforderten und bitter notwendigen radikalen Schnitt zu machen. Weder in der Lizenzspielermannschaft noch in den Führungsgremien mußte jemand die Konsequenzen aus einer mit Platz 15 abgeschlossenen Spielzeit ziehen. Wilfried Jacobs und das gesamte Präsidium sowie der Aufsichtsrat waren überzeugt, daß sich eine solche Saison nicht wiederholen würde. Als man in der Saison 1998/99 feststellte, daß sich das kaum bundesligataugliche Team bereits am 7. Spieltag auf einem Abstiegsplatz befand, begann das große Nachdenken. Ausgelöst hatte es Friedel Rausch, der Spieler öffentlich kritisiert und sich auch nicht gescheut hatte, Namen zu nennen.
Wilfried Jacobs wurde hellhörig und gab auf Betreiben von Rolf Rüssmann, der in der Rausch-Offensive einen Freibrief für Abmahnungen der besonderen Art sah, in Kurzgesprächen u.a. Karlheinz Pflipsen und Marcel Witeczek zu erkennen, daß sie sich einen neuen Verein suchen konnten. Friedel Rausch traute Augen und Ohren nicht. Seine bekannt harte und direkte Art, kickende Millionäre aus der Reserve zu locken und an ihre Berufsehre zu appellieren, war zu einem Bumerang geworden. Jacobs, der mit dem Spitznamen "Der Politiker" leben muß, hatte sich vor Rüssmanns Karren spannen lassen, dadurch dem Ansehen des Vereines im Hinblick auf seine Personalführung geschadet und das Klima am Bökelberg vergiftet.
Inkonsequenterweise mußten die gerügten Spieler dann doch nicht gehen. Nach dem 2:8 gegen Leverkusen und dem 1:7 gegen Wolfsburg war man am Tiefpunkt angelangt. Dem Trainer wurde der Stuhl vor die Tür gesetzt und der des Managers gleich mit hinausbefördert. Das vor Monaten notwendige, jedoch nicht angegangene Großreinemachen, für das in erster Linie das Präsidium zur Verantwortung zu ziehen ist, sollte nachgeholt werden. Rainer Bonhof kam und gab zu erkennen, daß er auf keine Spieler verzichten wolle. Am 12.11.1998 titelte der EXPRESS: "Hickhack um Pflipsen und Witeczek beendet."
Doch nun ging es munter hinter den Kulissen weiter. Rolf Rüssmanns umfangreiche Aufgaben wurden gleich auf mehrere mehr oder minder motivierte Köpfe verteilt. Die Hauptlast jedoch sollte Edgar Walterscheidt tragen, der Anfang November ´98 flugs vom Vize-Präsidenten zum Manager befördert - bzw. degradiert - wurde. Er ging mit Elan an die Aufgabe, das Stadionprojekt voranzutreiben und die Borussia in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Nach nur 2 Monaten im Amt warf Walterscheidt die Brocken hin, trat sogar als Geschäftsführer der Borussia Merchandising Gmbh & Co. KG zurück. Grund: Wilfried Jacobs hatte ihm nicht die notwendige Unterstützung zukommen lassen und ihn zeitlich sogar noch unter Druck gesetzt.
Walterscheidt wollte den Termin der Jahreshauptversammlung verschieben, um dem Verein eine akzeptable finanzielle Basis zu schaffen. Wilfried Jacobs, der diese Gelegenheit nutzen wollte, um seinen Rücktritt zu erklären, lehnte dies - ohne Rücksicht auf die finanziellen Belange und die wirtschaftliche Gesundung des Klubs zu nehmen - ab und trug damit entscheidend zum weiteren Niedergang des Vereins bei. Ständig entstanden am Bökelberg neue Brandherde, die das gesamte Umfeld verunsicherten, und die Spieler nötigte, sich frühzeitig mit Abwanderungsgedanken zu beschäftigen, da sie ihre Zukunft am Bökelberg nicht mehr gesichert sahen.
Neuste Verfehlung - in den aktuell geführten Spielergesprächen ließ Jacobs es sich nicht nehmen, sogar darauf hinzuweisen, daß der eine oder andere ohne den Fußball doch keine "zehn Mark in der Stunde" verdienen würde. An dieser Stelle sei nur kurz darauf hingewiesen, daß nicht jeder mit dem goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen ist und ein Fußballprofi - auch wenn er in Diensten der Borussia stehend sich dieses Jahr nicht gerade für eine Nationalelf empfohlen hat - in nur wenigen Berufsjahren versuchen muß, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen und nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache horrende Gehaltsforderungen stellt.
Wilfried Jacobs, der noch vor kurzem betont hatte, in seiner Amszeit nur wenige Tage Freude gehabt zu haben und stets anklingen ließ, amtsmüde zu sein und den Posten eigentlich nur übergangsweise übernommen zu haben, wird voraussichtlich am 31. Mai im Rahmen der Jahreshauptversammlung zurücktreten. Um auf dem Bökelberg in allen Bereichen einen Neuanfang zu machen, wird dieser Schritt notwendig sein. Die Suche nach einem Nachfolger wird sich nicht schwierig gestalten. Selbst Textilfabrikanten und Teppichhändler haben sich schon bereit erklärt, Zweitligaklubs zu führen.