Achtung langer Text! Lesen lohnt sich aber... hoffentlich...
@ Mattin
Erst einmal danke für deinen ausführlichen Beitrag zu dem Thema und auch deine Diskussionsbereitschaft. Ein Forum wäre eben nichts ohne entgegengesetze Meinungen und Argumente.
Meiner Meinung nach läuft die Diskussion hier sehr sachlich ab. Sie wird von allen Seiten (okay, außer von Hr. Wendt & Hr. Jäger) geführt, und Argumente ins Spiel gebracht.
Auch wenn es - wie in deinem Beispiel - eine Mickey Mouse Fahne ist, gibt es aber ein paar Ungereimtheiten in der ganzen Sache, die zB mich persönlich sehr stören.
Zunächst einmal wird der Grund des Einsatzes dargelegt. Ja, ich habe verstanden, dass die Polizei zur Gefahrenabwehr nach vergeblichen diplomatischen Fehlschlägen - aus welchem Grund auch immer - die Fahne abnehmen wollte. Hier ergibt sich aber auch die erste Frage für mich. Sollte die Polizei gehandelt haben, ist es doch kein durchsetzen der Stadionordnung durch Schalke, richtig? Ob die Stadionordnung verletzt wurde oder auch nicht sei ebenfalls dahin gestellt.
In den Medien poltert Hr. Jäger groß rum :"Die Stadionordnung ist nicht durchsetzungsfähig, und der Verein selbst verfügt nicht über ausreichendes Sicherheitspersonal."
http://www.derwesten.de/sport/fussball/ ... 38561.html
Hier ergibt sich für mich der Eindruck, als ob dieser Polizeieinsatz zunächst der Durchsetzung der Stadionordnung diente, weil Schalke nicht im Stande ist das Problem zu lösen.
Für mich als Laien sind das 2 paar verschiedene Schuhe. Sollte der Einsatz gedacht sein als Durchsetzung der Stadionordnung, dann hat man auch hier die Polizei als Staatsgewalt den Grundastz der Verhältnissmäßigkeit zu wahren, §§1 III, 20 III GG.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruft sich auf die vier folgenden Säulen:
http://www.rechtslexikon-online.de/Verh ... gkeit.html
1.)
Geeignetheit: Geeignet ist eine Maßnahme, wenn der angestrebte Erfolg durch sie zumindest gefördert werden kann.
Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg auch tatsächlich eintritt.
Der angestrebte Erfolg war ja nun die Entfernung der Fahne zur Durchsetzung der Stadionordnung wie es zumindest von einigen gesagt wird (Wichtig: Auf die "Gefahrenabwehr" komme ich noch zurück). Ich bin wirklich nur ein juristischer Laie und werde die Säulen nach meinem Verständnis. Beantworten,
Ja, die Maßnahme wäre wohl geeignet gewesen die Fahne zu entfernen, bzw. die Entfernung zu fördern zur Einhaltung der Stadionordnung. Ob der Erfolg dabei eintrat ist entbehrlich. Ich denke ja, weil die Fahne ja verschwand.
2.
Erforderlichkeit:
Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein milderes, weniger belastendes Mittel den gleichen Erfolg erreichen kann.
Ist nur ein geeignetes Mittel vorhanden, so muss es mangels Alternativen erforderlich sein.
Rein von der Durchsetzung der Stadionordnung muss ich auch diese Säule mit "Ja" beantworten. Die milderen Mittel wurden bereits ausgeschöpft in dem man die Fans diplomatisch aufgefordert hat die Fahne abzunehmen. Dies ist nicht geschehen. Wenn man um allen Mitteln die Stadionordnung durchdrücken wollte, gäbe es keine Alternative mehr zum entfernen durch die Staatsmacht.
3.
Angemessenheit (Proportionalität, Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne):
Angemessen ist die Maßnahme, wenn der Nachteil für den Betroffenen und der erstrebte Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
Zwischen dem Schaden des Einzelnen und dem Nutzen für die Allgemeinheit darf kein Missverhältnis bestehen (Abwägung der betroffenen Rechtsgüter).
Hier stimme ich zum ersten mal nicht mit ein. Legt man den Nachtteil der Betroffenen so aus, dass sie durch das gewaltsame entfernen verletzt werden, sage ich entschieden, nein der Nachteil steht nicht in einem vernünftigem Verhältnis zum Erfolg, der Entfernung des Bannern. Meiner Meinung nach würde hier ein deutliches Missverhältnis entstehen.
4.
Verhältnismäßigkeit: Eine staatliche Maßnahme ist unverhältnismäßig wenn sie erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht, die durch sie herbeigeführten Nachteile also deutlich größer sind, als diejenigen, die durch sie abgewendet werden sollen.
Geht man rein von der Durchsetzung der Stadionordnung aus, also das eine Fahne entfernt werden sollte, so würde ich hier sagen: NEIN. 80 Verletzte und eine Schwerverletzte, was schließlich der herbeigeführte Nachteil ist, stehen in keinem Verhältnis zum entfernen eines Stückes Stoff der gegen die Stadionordnung verstößt.
Zwischenergebnis
Um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begründen zu können, so muss
zwingend der Zweck festgestellt werden. In diesem Fall war es also die behauptung die Polizei habe das Stadionrecht durchgesetzt. Juristerei ist ja immer etwas subjektiv und meine Meinung ist, dass der Einsatz aufgrund dieser "Analyse" nicht in einem Verhältnis zum Nutzen stand.
Der zwingende Zweck könnte jedoch auch die Abwehr einer Gefahr sein die aus dem Griechenblock herrührte. Doch dieser zwingende Zweck lag weder am besagten Abend vor, noch heute.
Die Erkenntnisse und Fragen bleiben die selben, weil diese Gefahr nicht bewiesen ist. Im Gegenteil es sprechen sogar einige Indizien gegen die These, dass die Polizei von einem bevorstehenden Platzsturm ausgehen musste. Auch wenn ich sie schon mehrfach wiederholt habe, werde ich sie in diesem, vill. abschließenden Post meinerseits noch mal einbringen.
1.) der Zeitpunkt
Die Fahne hing nachweislich seit der ersten Minute des Spiels. Die Fahne wurde nicht, wie zunächst in einigen Berichten seitens der Polizei, während des Spiels platziert. Die Griechen hatten diese Fahne also bis zum Zeitpunkt des entfernens der Fahne 70 Minuten Zeit sich von der Fahne provozieren zu lassen und einen Gewaltakt durchzuführen. Dies ist nicht geschehen. Zu keinster Zeit ist es während des Hängens dieser Fahne zu Gewalt oder sonstigen Anstalten seitens der Griechen gekommen.
Im Gegenteil: Die Griechen zeigten ihrerseits eine blaue Fahne mit der Sonne, die ihr Teritorium darstellt. Das es sich strengenommen bei gleichsetzenden Maßstäben auch hier um einen Stadionordnungsverstoß und damit eigentlich auch den Einsatz der Polizei erforderte sei mal außer Acht gelassen. Vielmehr zeigt mir dieses Verhalten, dass die Provokation (das zeigen der blauen Fahne fand während der ersten Halbzeit statt) "müde" lächelnd aufgenommen wurde.
Wie dem auch sei, 70 Minuten Füße scharen um dann loszubrechen wenn...
2. ... der Umstand ...
... gerade so gut war, halte ich für tendenziell ausgeschlossen. Die Fans sind ohne Erwartungen nach Schalke gefahren, um ihre Mannschaft zu unterstützen. das sie dabei das 1:1 schießen und der CL ganz nah sind hätten sie sich wohl nicht gedacht. Also warum sollte, wenn 70 Minuten nichts passiert ist, nach dem 1:1 das Spiel abgebrochen werden? Das ist unsinnig und spricht zumindest für mich gegen einen Platzsturm.
3. Zeugenaussagen
Die Zeugenaussagen sind klar positioniert. Es hat bis jetzt kein Zeuge gesagt, die Griechen übermäßig aggressiv gewesen. Es gibt Zeugenberichte quer durch alle Foren, von Schalkern und von Griechen. Ein Grieche sagte bspw. dass sie die Fahne fast jedes Spiel zu sehen bekommen, und man in Griechenland das Fass was deswegen aufgemacht wird nicht verstehen kann. (wenn gewollt ist werde ich hier alle Aussagen diesbezüglich verlinken).
Aber hier eine Kostprobe:
http://www.sueddeutsche.de/sport/schalk ... -1.1752484
Sie befanden sich vor der Eskalation im Block der Griechen. Wie haben Sie die Stimmung erlebt?
Leiter des FP Schalke hat geschrieben:
Ich habe es anders wahr genommen als die Polizei. Dort hieß es, dass 2700 Griechen kurz vorm Durchdrehen gewesen seien und den Platz stürmen wollten - das stimmt nicht. Es war ein normales internationales Spiel in unserer Arena. Sicher, die Griechen haben die Fahne bemerkt und waren bestimmt nicht glücklich.
[...] Das ist an den Haaren herbeigezogen. Die griechischen Fans haben sich wahnsinnig gefreut, dass kurz vor dem Einsatz das 1:1 gefallen ist und für sie das Tor zur Champions League ganz weit aufgegangen ist. Das war für sie das Wesentliche.
Das zu dem Thema. Wie gesagt weitere Aussagen kann ich gerne liefern.
4. keine Blocksperre der Griechen
Die international häufig (oder immer geübte Praxis) um einen Gästemob sicher an den Heimfans vorbei zu schleusen wurde einfach nicht gemacht. Die Frage warum?
Ich bin nicht der Meinung, dass eine Provokation, die die griechen bis aufs Fleisch provoziert hat, und sie dazu genötigte fast Tore und Verletzte zu produrzieren, wie es die Polizei ausdrückte, nur durch das verschwinden des Banners gestillt werden würde.
Die logischere Erklärung wäre doch, dass gerade nach dem Spiel die Griechen die Konfrontation mit den Schalkern suchen müssten, oder? Dies ist nicht geschehen, was zumindest auch nicht auf eine überproportionale Aggression der Griechen schließen lässt.
5. bauliche Begebenheit.
Da hat HL schon genug zu gesagt.
Ergebnis:
Es gibt durchaus Indizien dafür die zumindest den Zweck nicht deutlich werden lassen, dass der Einsatz verhältnissmäßig war. Und diese Indizien kann man eben auch nicht einfach wegdiskutieren, oder sie als "Augenwischerei" darstellen. Das sind Fragen die die Polizei bis heute nicht beantwortet hat, und um nichts anderes geht es zumindest mir.
Ich komme zu meinem persönlichen Ergebnis, dass der Einsatz wegen Durchsetzung der Stadionordnung alleine nicht verhältnissmäßig war (s.o.) Den einzigen Grund den es geben kann, und den man mit 2 zugedrückten Augen wohl akzeptieren kann, ist wenn diese Gefahr vorlag, dass die Griechen das Stadion "abgefackelt" hätten.
Dieser Zweck müsste dann jedoch klar definiert sein. Und selbst dann bräuchte es eine juristische Prüfung ob alles im grünen Bereich war. Ich persönlich kann diesen Grund nicht zweifelsfrei erkennen. Im Gegenteil, für mich sprechen mehr Indizien gegen ein solches Vorhaben der Griechen als für.
Lieber Mattin, ich hoffe ich habe meine Meinung jetzt sachlich genug dargstellt. Ich habe mir Mühe gegeben mich an wahren Begebenheiten entlang zu hangeln und meine eigene Einschätzung zu geben.
Natürlich ist das nur meine Meinung. Wenn ein Laie mit Paragraphen rumspielt ist es immer gefährlich, aber vill. findet sich ja ein Jurist hier der mich ggf verbessert (HannesFan?

)
Dennoch, wer den Text durchgelesen hat: Respekt. Es war mir wichtig nochmal sachlich zusammenzufassen, warum ich den Einsatz (momentan) nicht verhältnismäßig finde.
Abchließend möchte ich mit dem Satz eines Parteifreundes von Hr. Jäger, nämlich von BaD Helmut Schmidt(SPD):"Wer Kritik nicht zulässt, der hat etwas zu verbergen". Ein Satz, der gerade in dieser Thematik zu nachdenken anregt.
Hoffe hat euch spaß gemacht
