Mikael2 hat geschrieben: ↑25.05.2023 12:17
Nur nicht absteigen.
Das ist auch mein größter Wunsch.
Als kleiner Junge war ich 1962 mit meinem Papa nach meiner Erinnerung das erste Mal am Bökelberg bei einem Spiel Borussias, habe noch Albert Brülls gesehen, der bei der WM 1966 schon als Italienprofi im Kader der N11 stand.
Ab der Aufstiegsrunde 1965 ging ich alleine Ins Stadion, habe sämtliche Heimspiele ganz unten in der Nordkurve direkt hinter dem Tor verfolgt und mich über den Aufstieg gefreut. Ich wurde Zeitzeuge der phantastischen Erfolge Borussias.
Wahrscheinlich deshalb ist meine Sehnsucht nach Titeln Borussias nicht mehr ganz so ausgeprägt wie bei denjenigen, die nicht das Glück hatten dies mitzuerleben. Gegen weitere Titel hätte ich natürlich auch nichts.

Für den Fußballklub meiner Geburts- und Heimatstadt wünsche ich mir jedoch in erster Linie, keinen weiteren Abstieg mehr mitzuerleben zu müssen.
Vielleicht speist sich daraus mein Unverständnis über Meinungen, die mit der Forderung nach einem einstelligen Tabellenplatz nichts anfangen konnten. Sie sahen wohl nur, dass man bei Borussia schon mit Platz 9 hochzufrieden gewesen wäre. Für mich - und ich unterstelle das den Verantwortlichen Borussias ebenfalls - war dagegen Platz 9 das absolute Minimum. Es bot einerseits die Gewähr dafür, mit einem Abstieg nichts zu tun zu haben, andererseits bis zum Schluss die Möglichkeit, sich für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. In dem Jahrzehnt, als man dies (neben den Bayern und dem BVB) jede Saison schaffte, hatte Borussia bis wenige Spieltage vor Schluss zumindest diese Chance. Häufig gelang dies. Trotz ausbleibender Titel sehe ich auch diese Zeit als Erfolgsära an.
Erst als unser ehemaliger Sportdirektor anfing davon zu träumen, sich stets mit Borussia für die Plätze 1-6 qualifizieren zu können, sind wir auf eine schiefe Bahn geraten. Man verlor die Bodenhaftung. Unvorhergesehene Ereignisse - wie etwa Corona und die damit verbundenen Folgen - konnte man nicht mehr auffangen. Die Spielergehälter bewegten sich mittlerweile in Regionen, die ohne CL- oder zumindest EL-Teilnahme kaum noch zu stemmen waren. Genau das wurde Bremen, Stuttgart, Schalke und dem HSV zum Verhängnis. Ihm alleine die Verantwortung dafür in die Schuhe zu schieben, wäre mir freilich zu billig.
Ein Klub wie Borussia, der nicht in einer "Big City" angesiedelt ist, sondern etwa wie Freiburg - durchaus im positiven Sinne - in der Provinz, sollte deshalb mehr noch als andere für den "worst case" gewappnet sein, anstatt Luftschlösser zu bauen. Mir würde es reichen, wenn Mannschaft und Trainer in jedes, aber auch wirklich jedes Spiel mit dem erklärten Ziel gehen, 3 Punkte zu holen. Das sollte man auf dem Platz allerdings sehr viel häufiger sehen können.
Großspurige und öffentlich geäußerte Zielvorgaben vor einer Saison sind hingegen nicht mein Ding. Die sind nur dafür geeignet, die Konzentration auf die jeweils nächste Aufgabe aufs Spiel zu setzen. Wenn man 5-6 Spieltage vor Schluss die Chance hat, sich für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren, dann und nur dann mag man das auch öffentlich äußern, dies mit aller Macht anzustreben. Im Grunde aber ist es für jeden Sportler eine Selbstverständlichkeit, das größtmögliche Ziel erreichen zu wollen. Ich habe das Gefühl, dass solche Zielvorgaben vor der Saison hauptsächlich von denjenigen verlangt werden, die selbst nie um Punkte gespielt haben. Ich hingegen habe es schon erlebt, dass ich als Aufsteiger mit meiner Mannschaft vor einer Saison erst einmal das Ziel hatte, die Klasse zu halten, wie es jeder vernünftige Aufsteiger macht. Wir sind dann Meister geworden und haben Teams hinter uns gelassen, die nominell deutlich stärker besetzt waren.
In jedem Spiel, so oft es geht, alles dafür zu tun, bis an die Grenze der eigenen Möglichkeiten zu gehen, das ist die eigentliche Erfolgsformel! Das möchte ich von "meiner" Borussia sehen. Ich glaube, dass ich nicht nur für mich spreche, wenn es gerade das ist, was in den vergangenen Jahren unser größter Kritikpunkt war. Wir verlieren jetzt zweifellos Potential, doch dieses wurde allzu selten abgerufen. Und ich spreche nicht davon, dass wir Fans noch mehrheitlich von einer CL-Platzierung träumten. Das entspricht zumindest nicht meiner Wahrnehmung. Das aber spukte offenbar im Kopf von Farke herum. Vielleicht war es auch nur eine Schutzbehauptung, um sein Wirken und das der Mannschaft möglichst positiv zu verkaufen.
Es ist jetzt auch nur mein Minimalziel, die Klasse zu halten. Für mich - und damit komme ich auf den Anfang zurück - ist es jedoch essenziell. Ergibt sich im Laufe der Saison, das mehr möglich ist, dann nehme ich das mit großer Freude zur Kenntnis. Von großspurigem Geblubber halte ich überhaupt nichts. Das macht einen nicht automatisch erfolgreicher.
Auch wenn ich für die Trennung von Farke war, weil Reden und Handeln unter seiner Verantwortung allzu sehr auseinander klafften, wünsche ich mir jedoch sehnlichst eine Ära zurück, in der ein Cheftrainer über mehrere Jahre bleibt. Dann und nur dann waren wir am erfolgreichsten. Die nächste Trainerverpflichtung muss sitzen.