"Immer mehr, immer weiter, immer höher hinaus", das ist eine Einstellung, die heutzutage wirklich allgegenwärtig ist. Es muss immer das Maximum sein, möglichst schnell. Man muss immer der Beste und schnellste sein koste es was es wolle. Das Studium muss mit Bestnoten am besten unter der Regelstudienzeit durchgeboxt werden vollkommen egal ob es schaffbar ist. Man muss nach 3 Jahren Beruf schon 3 Beförderungen haben, auch wenn man Kollegen dafür in die Pfanne hauen musste. Rücksichtslose Leistungsgesellschaft eben.
Und schließlich hat der Herzensklub Risiko einzugehen um den Fans gefälligst jeden Samstag die besten Spieler, das beste Spiel und am liebsten Titel und Ruhm zu schenken. Koste es was es wolle. Ob Millionen von Gläubigern und Investoren verbrannt werden, siehe Dortmund, plötzlich hundert Menschen vor der Arbeitslosigkeit stehen und die Stadt ein wichtiges Wahrzeichen verliert, siehe Aachen. Ob Fans durch aktionistische Fananleihen mit einer Aussicht auf 0,00001% Rendite ausgequetscht werden um das alles zu finanzieren bzw. abzusichern. Ob 100 Jahre Geschichte, Fleiß, Historie, Mühe und Leidenschaft innerhalb weniger Jahre in der Versenkung verschwinden zu drohen, siehe uns Ende der 90er - egal. Das Risiko muss man eben eingehen.
In dieser Beziehung ist Borussia quasi ein willkommenes Beispiel für die Abkehr des heutigen "Immer schneller, immer höher"-Mechanismus. Wir bauen jede Stufe die wir erklimmen selbst auf. Wir leben Realität und Demut und keine Traumschlösser. Wir waren ein Ausbildungsverein, wir sind einer und wir bleiben auch einer. Diese Strategie hat uns zu dem gemacht was wir sind. Ein toller, solider, bodenständiger und realistischer Verein, bei dem Traumschlösser mit harter Arbeit langsam und bedächtig aufgebaut werden.
Es gibt für manche Vereine eben natürliche Grenzen. Und wir tasten uns langsam an diese heran. Das Stadion wird nicht größer, Mönchengladbach wird auch nicht größer und interessanter. Umliegende Konkurrenzvereine wie Schalke, Dortmund, Köln stellen auch nicht auf einmal das Spielen ein und überlassen uns "Marktanteile" in der Region. Es gibt ganz wenige Punkte an denen wir noch wachsen können, das muss man einfach akzeptieren wenn man Fan von Borussia ist. Wir werden kein Verein sein, der jedes Wochenende gewinnt, der jedes Jahr international spielt, der Titel am Fließband gewinnt, der die besten Spieler bekommt und der international eine große Nummer ist.
Glaubt mir, wenn man das akzeptiert kann man viel Spaß an Borussia haben. Vielleicht sagen einige nun, ach, du hast ja keine Ziele mehr du erstrebst ja gar nichts mehr. Das stimmt einfach nicht. Auch ich will erfolgreich sein. Ich würde auch am liebsten Boateng, Messi und Ronaldo mit der Raute auf der Brust sehen und jedes Jahr im HF der CL stehen. Doch das gibt der Fussball wie wir ihn kennen einfach nicht her. Das muss man akzeptieren. Erzwingen etwas zu sein, was man nicht ist und nicht sein wird, ist immer der Anfang vom Ende.
Borussia ist ein Familienverein. Ein Klub mit einem Mythos. Ein hart arbeitender Verein, der sich seine schönen Momente verdient und nicht geschenkt bekommt. Wir sind ein Ausbildungsklub, ein Fohlenstall. Wir sind der ewige Underdog, der versucht mit den Großen mitzupinkeln und dann auch manchmal ordentlich angepinkelt wird (wie von Dortmund bei Dahoud

) . Und wir sind ein Verein der immer einmal mehr aufsteht als er hinfällt. Die Philosophie des Vereins ist die der kleinen Schritte. Und wisst ihr was? Darauf bin ich verdammt stolz.
Für mich war der Moment als gegen Kiew die CL-Hymne ertönte wahrscheinlich emotionaler als es je ein Titelgewinn sein kann.