atreiju hat geschrieben:Vorneweg, Lucien Favre ist ein hervorragender Trainer und jeder, wirklich jeder Borussenfan kann diesem Mann nur unendlich dankbar sein, für das, was er in seiner Zeit hier bisher für Borussia geleistet hat und was er und Max Eberl aus Borussia gemacht haben in den letzten 4,5 Jahren. Borussia hat sich in jeder Beziehung fantastisch entwickelt.
Ich bewundere trotzdem jeden User hier, der so unerschütterlich und felsenfest davon überzeugt ist, dass Lucien Favre in dieser Situation uns auch wieder ganz sicher in ruhiges und sicheres Fahrwasser bringen wird. Denn die Situation ist diametral anders als bei seinem Beginn 2011 und auch als damals in Berlin. 2011 kam Favre in eine Mannschaft ohne System und Struktur und erkannte sofort, welche Stellschrauben er stellen muss, um dieses Team wieder zu stabilisieren, wie er ein System installieren muss, um defensive Stabilität zu gewinnen und die Stärken der Spieler wieder in den Vordergrund zu rücken.
Aktuell ist das jedoch seine Mannschaft, die er geformt hat, die er taktisch und spielerisch geprägt hat, deren Spielsystem er geformt hat und den Spielern zutiefst verinnerlicht hat. Es ist seine Fußballphilosophie, seine Art von Fußball, seine polyvalenten Spieler, die er benötigt und diese Mannschaft schafft es mental und physisch aktuell nicht im Ansatz, seine Vorgaben umzusetzen. Er persönlich zeigt für mich aktuell auch nicht, dass er ein klares Konzept hat, wie wir aus der Krise kommen, denn dazu werden die Aufstellungen für mich permanent zu sehr durcheinander gewürfelt, dazu wird an manchen Spielern (Raffael, Jantschke) zu lange festgehalten, andere werden durch ständige Kurzeinsätze, Nichtberücksichtigungen, dann plötzlich wieder Starteinsätze völlig verunsichert.
Favre ist ein Grübler, ein Tüftler, ein Skeptiker, ein Perfektionist und in seinen Stärken grandios. Mein Bauch sagt mir jedoch, dass in der aktuellen Situation ganz andere Stärken gefordert sind und die Mannschaft mehr braucht als das, was Favre perfekt beherrscht. Eben auch mal einen Trainer, der Optimismus versprüht, der die Köpfe befreit, der das Spielsystem flexibel gestaltet, der auch bereit ist, mal sein System komplett zu ändern, weil die Mannschaft es jetzt braucht. Ich fürchte, dass auch Favre sich aktuell viel zu sehr selbst im Wege steht, sich und seine Entscheidungen anzweifelt und ihm auch ein wenig der Mut für harte Konsequenzen aus Respekt vor den Menschen, Spielern und ihren Leistungen der letzten Jahre fehlt.
Ich kann jeden Fan und auch die Verantwortlichen verstehen, dass sie Lucien Favre, dem der Verein und wir alle so viel zu verdanken haben, "unendlich" Vertrauen und Zeit entgegen bringen, mein Bauch sagt mir seit dem Hamburgspiel, dass wir mit Favre untergehen werden, wenn nicht ein Wunder geschieht und wir in den nächsten beiden Spielen mindestens 4 Punkte holen. Das kann Favre und die Mannschaft schaffen, sie haben die Fähigkeiten dazu, ich glaube nur nicht daran, dass sie die Blockade wirklich lösen können, eine Blockade, die ich nämlich nicht nur bei den Spielern aktuell sehe, sondern auch beim Trainer selbst.
Ich wundere mich, mit wie wenig viele hier offenbar zufrieden sind, wenn sie das gestrige Spiel ernsthaft als so tollen Fortschritt ansehen und so viele Dinge verbessert gesehen haben. Köln war selber ganz schwach und extrem verunsichert ob des Frankfurtspiels, Köln war erschreckend harmlos, aber eine Szene hat eben gereicht, um uns zu schlagen, das ist effektiv. Wir kamen ja nicht einmal in die Nähe einer solchen Szene, wir hatten für mich nicht eine einzige echte Torchance, das ist für einen Verein, der inzwischen einen der besten 7 Kader der Liga hat, erbärmlich schlecht. Und wenn ich dann höre, dass wir zu wenig Ballbesitz hatten, dabei haben wir aus dem Ballbesitz viel zu wenig gemacht und konnten damit gar nichts anfangen. Da standen mit Hazard, Hahn und Drmic drei Spieler auf dem Platz, die alle Stärken haben in ihrer Schnelligkeit und ein wenig Raum brauchen und unser Ziel ist es, Ballbesitz zu haben, bei dem der Ball so langsam zirkuliert, dass der Gegner die Räume locker ganz eng machen kann ?? Das ist doch widersinnig.
Ich werde hier ganz sicher nie einen Rauswurf Favres fordern, weil ich ihm dafür viel zu dankbar für seine bisherige Zeit hier bin. ich bin mir aber absolut bewusst, dass diese Nibelungentreue für Borussia, uns Fans, für unsere Perspektive der nächsten 10 Jahre auch katatstrophale Folgen haben kann, denn ein Abstieg würde uns wieder zurück auf Anfang 2011 bringen, mit dem Unterschied, dass die Mannschaft dann deutlich schwächer wäre, denn unsere Säulen wären alle weg.
Auch Max Eberl hat dieses Jahr wohl einfach einmal komplett daneben gelegen in seinen Entscheidungen gemeinsam mit Favre, aus welchen Gründen auch immer und bei vollstem Verständnis für seinen Kurs, keine finanziellen Risiken einzugehen. Trotzdem ging es nun einmal schief. Doch auch er hat so viel Bonus, dass er so eine Transferphase gut hat.
Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als eine Wende gegen Augsburg und in Stuttgart und dass Favre und die Mannschaft wieder zu alter Stärke finden. Ich bin aber auch überzeugt: Gehen die nächsten drei Spiele auch schief, wird diese Saison nicht mehr zu retten sein, von niemandem. Es ist einfach mein Bauchgefühl, meine Überzeugung. Ich bin in Stuttgart und gegen Wolfsburg dabei und werde die Mannschaft und den Trainer 100% unterstützen, egal was passiert, ich kann nicht anders.
Stehen wir nach 10 Spieltagen mit weniger als 5 Punkten auf Platz 18, dann führt uns niemand meiner Überzeugung nach mehr auf Platz 15, dann steigt eine Mannschaft ab, die vom Kader und der Spielstärke zu den besten 6 der Liga zählt. Und ich bin gespannt, ob all diejenigen User, die jetzt so positiv denken und ticken und Daueroptimismus verstreuen und die sich ja so sicher sind, dass nur Favre funktioniert dann auch bereit sind, sich kritisch zu hinterfragen. Ich sage heute noch, dass wenn Favre es schafft, mit dieser Mannschaft noch unter die Top10 am Saisonende zu kommen, werde ich eine Hommage an ihn schreiben, die sich gewaschen hat, denn die hat er sich dann verdient.
Und nochmals, ich fordere auf keinen Fall seinen Rauswurf, ich wünsche ihm aber den Mut und die Kraft, selber die richtigen Entscheidungen zu treffen, wie immer diese aussehen abhängig davon, wie er selber spürt, was für den Erfolg notwendig ist und ob er ihn gestalten kann oder ihm aktuell auch ein wenig im Weg steht.
Klasse Beitrag. Ich hoffe für uns alle, dass LF gerade noch rechtzeitig die Kurve kriegt und unsere Mannschaft auf Kurs bringt.