Ach Leute, zerschlagt euch doch nicht die Köppe wegen dieser Nachspielzeitdiskussion. Die offiziellen Fußballregeln sind da eindeutig auf der Seite des Schiedsrichters. Ich hab die aktuell gültigen Fußballregeln als PDF hier auf meinem Laptop. Und ich hab meine Vermutung bestätigt gesehen, als ich noch mal einen Blick in die Regeln warf.
Auszug aus "Regel 7 - Dauer des Spiels":
Nachspielzeit
In jeder Spielhälfte wird die Zeit nachgespielt, die verloren geht für
- Auswechslungen,
- Verletzungen von Spielern,
- Transport verletzter Spieler vom Spielfeld,
- Zeitschinden oder
- jeden anderen Grund.
Die nachzuspielende Zeit liegt im Ermessen des Schiedsrichters.
Heißt im Klartext: Der Schiedsrichter allein entscheidet, wann er keine Lust mehr hat. Und nur er. Was da irgendein Typ im offiziell aussehenden Trainingsanzug an der Seitenlinie anzeigt, kann dem Schiri mal kräftig am Allerwertesten vorbeigehen. Genauso gut hätte er nach 90 Minuten und 25 Sekunden abpfeifen können. Dann hätten wir Borussen hier rumgezetert und hätten doch Unrecht gehabt, denn der Schiri ist nun mal der Boss.
Dazu die zur Regel 7 gehörende, überaus interessante Regelauslegungsmaßgabe der FIFA:
Auslegung der Spielregeln und Richtlinien der FIFA für Schiedsrichter
Nachspielzeit
Es ist völlig normal, dass es in einem Spiel zu zahlreichen Unterbrechungen kommt (z. B. Einwürfe, Abstöße). Nachgespielt werden darf diese Zeit nur, wenn es zu übermäßigen Verzögerungen kommt.
Der Vierte Offizielle zeigt am Ende der letzten Minute jedes Spielabschnitts an, wie viele Minuten gemäß Entscheidung des Schiedsrichters mindestens nachgespielt werden.
Diese Anzeige ist keine exakte Angabe der nachzuspielenden Zeit. Der Schiedsrichter kann die Nachspielzeit bei Bedarf verlängern, nicht aber kürzen.
Der Schiedsrichter darf einen Fehler in der Zeitmessung während der ersten Halbzeit nicht durch Verlängerung oder Kürzung der zweiten Halbzeit kompensieren.
Ist ja wohl eindeutig: Wenn der Schiri dem Vierten Offiziellen sagt, er soll mal 2 Minuten auf die Tafel pinnen, dann heißt das, der Schiedsrichter lässt mindestens zwei Minuten nachspielen. Ein paar Sekunden weniger darf er wohl auch spielen lassen. Dann wären wir beim obigen Gezeter-Fall. Je nach dem, wie viele Sekunden es dann wären, könnte man sich noch beschweren und sagen "Das waren keine 2 Minuten!" Fakt ist aber, dass das eine Tatsachenentscheidung wäre, die man vor keinem DFB-Gericht anfechten könnte. Und im Zweifelsfall würde der Schiri halt behaupten, dass die Mindestnachspielzeit nach seinem Zeitmessgerät abgelaufen sei und die mitlaufende Uhr im TV oder Stadion nicht exakt gewesen sei.
Klar ist nur eins: Man kann dem Schiedsrichter in keinem Falle einen Regelbruch vorwerfen, wenn er länger als die Mindestnachspielzeit spielen lässt.
Im Übrigen: Der Schiedsrichter kann bis auf eine einzige Ausnahme abpfeifen, wann er will: Vor Ausführung eines Eckballs, vor Ausführung eines Freistoßes oder eines Einwurfes, mitten im Angriff, wenn gerade der Bär im Strafraum tobt, wenn ein Stürmer noch 15 Meter vom leeren Tor entfernt ist und der nächste Verteidiger am gegnerischen Strafraum steht, ja sogar eine Sekunde bevor der Ball ins leere Tor kullert. Wenn die Mindestnachspielzeit abgelaufen ist, ist sie halt um. Selbstverständlich entspricht das nicht der Praxis, der Fairness und dem gesunden Menschenverstand, aber "rechtlich" zulässig wäre es.
Ach ja! Der Schiedsrichter darf das Spiel nur dann nicht beenden, wenn er zuvor auf Strafstoß entschieden hat und er findet, dass ihm die Ausführung zu lange dauert oder seine angedachte Nachspielzeit jetzt schon überschritten ist. Ein Strafstoß muss in jedem Fall ausgeführt werden. Und wenn es in der 90.+23 ist.
Dazu noch ein letztes Zitat aus Regel 7:
Strafstoß
Wenn ein Strafstoß ausgeführt oder wiederholt werden muss, wird der entsprechende Spielabschnitt verlängert, bis der Strafstoß ausgeführt wurde.
Ergo: Verständlich, dass die Sportskameraden aus Bochum verärgert sind, dass sich der Schiedsrichter nicht dazu entschieden hat, die Mindestnachspielzeit um null Sekunden zu verlängern. Regeltechnisch ist dem Schiedsrichter allerdings nichts vorzuwerfen. Die Regel ist auf seiner Seite!
Und wir freuen uns halt über ein spätes Tor. Rein theoretisch hätte der Schiri auch bei de Camargos Schuss abpfeifen dürfen. Solche Dinge sind doch auch schon häufig genug vorgekommen, aber so ist der Fußball nun einmal. Und deshalb lieben wir ihn. Und wer weiß, über was wir am Mittwoch gegen 22.20 Uhr oder noch später diskutieren. Hoffentlich über unsere Auswärtsfahrt nach Augsburg im nächsten Jahr. Aber vielleicht auch darüber, warum der Schiri nicht einfach abgepfiffen hat, als die angezeigten 4 Minuten eigentlich schon seit 25 Sekunden um waren.
