AlanS hat geschrieben:Hat die Mannschaft unter Weisweiler so viele Tore geschossen, NUR, weil er ein so genialer Taktiker war, oder AUCH, weil die Mannschaft einfach überragende Spieler hatte? Du schreibst ja auch, er musste sich erst der stabileren Defensive besinnen, um richtig erfolgreich zu werden.
Weisweiler war vor der Zeit bei Borussia meines Wissens nur ein mäßig erfolgreicher Trainer Mit dem Rheydter Spielverein stieg er zu Oberligazeiten sogar ab. Er fand bei Borussia eine Mannschaft vor, die in der Offensive über Jahrhunderttalente verfügte (damals sogar noch aus Mönchengladbach und Umgebung) wie beispielsweise Netzer, Heynckes, Laumen oder der aus meiner Sicht unterschätzte Herbert Wimmer. Die Abwehr war dagegen eher zweitklassig (von Vogts, der nach dem Aufstieg dazu kam mal abgesehen, auch kein begnadetes Talent, dafür aber ein verbissener Arbeiter). Vielleicht auch deswegen machte Weisweiler aus der "Not" eine Tugend. Ich erinnere mich im ersten Jahr beispielsweise noch an ein 8:3 gegen Nürnberg, aber es gab auch ein 0:7 gegen Bremen. Ich war nie der Meinung, dass Weisweiler ein genialer Taktiker war - ganz im Gegenteil! Netzer betonte häufiger, dass man ihn davon überzeugen musste, dass es
nur mit Hurrafußball nicht geht. Weisweiler arbeitete gerne und intensiv mit jungen Spielern, die er bis zur Weltklasse formte. Darin lag seine große Stärke.
Ist es dann nicht für Mannschaften mit "durchschnittlichen" Profis (Widerspruch in sich) bewundernswerter, mit bescheidenen taktischen Mitteln sehr viel zu erreichen? Portugal hat zumindest zwei Supertechniker in der Mannschaft, aber wir wissen alle, dass die nicht viel reißen können, wenn ansonsten die Mannschaft spielerisch eher bieder ist.
Ich kann daran nun wirklich nichts Bewundernswertes entdecken. Ich respektiere den Erfolg Portugals, aber für mich war diese EM eine einzige Enttäuschung (von wenigen Spielen abgesehen). Portugal hatte einfach auch sehr, sehr viel Glück! Für die Portugiesen passte alles zusammen. Glückwunsch!
Grundsätzlich aber verachte ich diese zunächst auf Toreverhinderung ausgerichtete Taktik zutiefst und kann daran nichts Erstrebens- oder gar Nachahmenswertes finden. Grauenhaft! Der Erfolg heiligt die Mittel? Ist nicht mein Ding! Das ist etwas für Mannschaften, die gegen den Abstieg spielen. Unter den besonderen Bedingungen eines Turniers mag sie (mit mehr Unentschieden als Siegen) zum Erfolg führen. Schlimm genug, dass das auch noch belohnt wird!
Für Mannschaften, die an die Sonnenplätze "nur" ranschmecken wollen/können, ist dieser Weg in meinen Augen irreführend, da deren Kader nicht gut genug für diesen Fußball sind und immer wieder Fehler auftauchen werden, die einen optisch überlegenen Spielverlauf durch nur wenige gelungene Aktionen des Gegners oder durch einen dummen Fehler der eigenen Mannschaft auf den Kopf stellen. Haben wir letzte Saison ja auch mehrfach erlebt. Erst durch die Stabilisierung der Defensive konnte der vierte Platz gerettet werden.
Unser Kader hatte aber die Stärken in der Offensive mit überdurchschnittlich begabten Spielern. Man sollte unsere Mannschaft auch nicht kleiner machen, als sie ist! Unser Kader ist gut genug für diesen Fußball! Dies hat Schubert erkannt und ließ die Löwen (Fohlen) los. Das und nur das brachte den schnellen Umschwung, begünstigt durch die Dreipunkteregelung! Der vierte (dritte) Platz wurde zwischenzeitlich schon erreicht, als die defensive Stabilität noch nicht vorhanden war. Schon vergessen? Später - er ist ja nicht dumm - justierte Schubert nach und nach an der defensiven Stabilität, die ja schon aufgrund der vielen Ausfälle unter Favre zerbröselt war. Dies aber war nur eine notwenige Ergänzung der offensiven Stärke, nicht umgekehrt. Das dauert natürlich länger. Schwächen zu beseitigen ist viel schwieriger. Ein Trainer ist gut beraten zunächst zu sehen, wo die originären Stärken seines Kaders liegen und richtet danach die Taktik aus - nicht etwa umgekehrt! Es gibt eben keine taktische Blaupause für Teams jenseits der Bayern! Wer so etwas glaubt, macht es sich zu einfach. Hinten reinstellen und auf die Fehler des Gegners warten (ich vereinfache) passt eben nicht mehr zur aktuellen Borussia, und darüber freue ich mich!