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von emquadrat » 25.05.2018 00:43
Für mich steht Eberl außerhalb jeder Diskussion als Sportdirektor, aber nicht außerhalb jeder Kritik. Ich würde keinen anderen haben wollen, obwohl ich der Meinung bin, dass Eberl auch veritable Schwachstellen hat. Manche vergessen gerne, dass Eberl immer noch relativ jung ist für einen Sportdirektor, er ist kein alter Hase in dem Business. Und es gibt einige Bereiche, wo er sich noch verbessern muss, und Fehler, die er noch machen wird. Auch seine Außendarstellung gefällt mir nicht gut momentan, er ist zu dünnhäufig, zu passiv-aggressiv. Aber das sind alles nur Symptome und Ausdruck seiner etwas kopflastigen Art. Wenn es gut liefe, würde uns das nicht so nerven.
Für mich ist ein tieferliegendes Problem von Max Eberl, dass er Favres Abgang niemals wirklich verwunden hat. Er betet ihn an wie ein Teenager seine verflossene Jugendliebe. Nun hat Eberl keinen Grund, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, denn er hat Favre eine Menge günstiger und guter Spieler besorgt und noch heute bin ich davon überzeugt, dass er auf dem Transfermarkt sehr gut unterwegs ist. Aber Favre hat ihm gezeigt, was mit einem guten Trainer alles möglich ist, ich bin mir nicht sicher, ob Eberl das vorher wusste, denn er hielt sehr lange an Frontzeck fest, weil Eberl ein Anfänger war und irgendwo auch ein netter Kerl ist. Favre hat ihm nicht nur gezeigt, was möglich ist, sondern er hat ihm ein System gegeben und Eberl trägt es seitdem wie eine Monstranz vor sich her, wie einen Claim. Wir sind ein Team, was 4-4-2 spielt und was den Ball haben will, spielen will. Eberl betont das ständig und manchmal auch penetrant. Wir sind die, die spielen wollen. Es klingt zunehmend verzweifelter, und das hat seinen Grund. Die anderen wollen das nicht. Die anderen wollen im Stile von Zeljko Buvac/Jürgen Klopp ein aggressives Gegenpressing aufziehen und den Gegnern zu Fehlern zwingen. Das macht es zunehmend schwerer, ein gutes Ballbesitzspiel aufzuziehen, denn dafür braucht man entweder einen brutal guten Kader oder einen Trainer, der mit unglaublicher Akribie einem Team Spielzüge beibringt, bis sie kotzen. Beides haben wir nicht, denn Favre ist weg. Und Favre ist kein Trainer wie jeder andere. Man nenne mir ein anderes Team außer Bayern, was momentan wirklich den Ball haben will und tiefstehende Gegner durch Direktspiel auseinanderhebeln möchte UND KANN, statt ein effektives Umkehrspiel oder gutes Konterspiel aufzuziehen, was viel einfacher ist. Das erfordert nämlich kein Auswendiglernen von Spielzügen im Elf gegen Null. Es fällt mir nur Hoffenheim ein und vielleicht noch RB. Bei RB musste Hasenhüttl gehen, der Vorwurf war, dass ihm nix einfällt gegen tieferstehende Mannschaften, er das Team nicht weiterentwickelt. An dem Punkt sind wir auch. Weil es die logische Folge ist, wenn 15 Teams in der Liga mit Fünferkette auftreten.
Und das ist der Vorwurf, den ich auch Eberl mache. Er ist zu unflexibel. Er will ein Team für Favre bauen, ohne Favre. Er will die eierlegende Wollmilchsau im Sturm, er will 4-4-2, er will flaches Spiel über die Flügel und er hat Eigenheiten von Favre, die aus der Not geboren wurden, zum Beispiel unseren asymmetrischen Flügelfokus rechts, der damals auf Jantschkes Offensivschwäche basierte, nicht beheben wollen oder können. Er hat Hecking sogar sabotiert, indem er ihm zwei schnelle Flügelspieler wegverkauft hat (Schulz, auch Korb) und einen lächerlichen Plan-B-Stürmer präsentiert hat, wo alle wussten, dass das eine Idee für auf dem Papier ist. Heckings Fehler lag darin, da nicht BS zu callen und zu sagen, dass er verdammt noch mal einen richtigen Stürmer will. Denn Hecking kann das System, was Favre spielen ließ, nicht selbst lehren. So wie wir momentan spielen, das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Mittlerweile weiß jeder, wie wir spielen, weil wir seit locker 6 Jahren so spielen, nur nicht gleichermaßen versiert. Auch nicht unter Favre, nach jeder Transferperiode sah man, dass er sein System wieder neu bauen muss und dass er manche Spieler wie de Jong gar nicht eingebaut bekam.
Es dürfte aufgefallen sein, dass ich Hecking häufiger verteidigt habe zuletzt, mir auch einige Schlagabtausche mit Moderatoren geliefert habe über die Rolle des Trainers. Der Grund ist nicht, dass ich Hecking für einen genialen Trainer halte, er ist relativ konventionell in seinem Spiel und seinem System, aber ich glaube, dass man ihm Unrecht tut. Hecking hatte beachtlichen Erfolg, nahezu überall, aber niemals mit Ballbesitzfußball. Hecking hat bei allen Stationen eine stabile Defensive hinbekommen und ein schnelles Umschaltspiel. Wir haben aber gar keine Mannschaft dafür. Wir haben keinen richtigen Stürmer und unsere Flügelspieler bis auf Traoré und mit Abstrichen Johnson sind erschreckend langsam und zu großen Teilen verkappte Regisseure. Mit Herrmann kommt noch ein reiner Konterspieler dazu, der den Platz geradezu braucht. Dazu haben wir ein eher unkreatives Mittelfeld, was eine schlechte Voraussetzung ist, wenn man gerne den Ball haben will und zirkulieren lassen will. Denn irgendwann muss man auch mal was kreieren. Da ruht unsere Hoffnung auf 19jährigen, die wiederum für eine derart wichtige Position noch etwas leichtgewichtig sind.
Für mich hatte Eberl daher zwei Möglichkeiten, bzw. hat:
1. Er hält an Favres Idee von Fußball jedenfalls in wesentlichen Grundzügen fest, vielleicht in abgewandelter Form, dann braucht er einen Trainer, der das auch lehren kann, das ist Hecking nicht. Man lacht mich jetzt vielleicht aus, aber da fällt mir kaum jemand ein, am ehesten noch Guardiola oder Streich. Fast alle modernen Trainer definieren sich über das schnelle, blitzartige Umschaltspiel aus einer massiven Verteidigung heraus und nicht über die geduldige, risikoarme Ballzirkulation mit dem Warten auf den richtigen Moment. Warum? Weil es einfacher ist und schnelleren Erfolg verspricht und schneller Erfolg ist genau das, was Trainer brauchen. Außerdem kann man derartiges oftmals mit Grundtugenden wie Aggressivität und Mentalität kombinieren, was viele Trainer ebenfalls vorleben. Bei uns hat man das Gefühl, wir fürchten uns eher vor Aggressivität. Auch das ist noch ein Favre-Relikt, denn Favre war ein Baumeister und kein Motivator und hat Spieler gesucht, die verstehen, was er sagt.
2. Eberl bricht mit dem, was er für unsere Corporate Identity hält und fängt an, in gewöhnlicheren Bahnen zu denken. So mit schnellen Flügelspielern, Konterspiel, Gegenpressing und großgewachsenen Stürmern. Vielleicht mal kontern, wie Slomka früher. Was die anderen halt auch so machen, eben. In dem Fall kann er Hecking noch eine Chance geben, denn Hecking hat schon gezeigt, dass er das beherrscht. Dazu müsste er massiv ausmisten und eigentlich alles zertrümmern, was Favres Fußball ausgemacht hat. Darin liegt zweifellos ein Risiko, aber es wäre ein geringeres als Eberl glaubt, denn auch nach Hecking (er wird wenig Kredit haben) könnte eine Vielzahl von Trainern auf dem Markt etwas mit einem so zusammengestellten Kader anfangen - viel mehr als mit einem Kader ohne Stürmer und ohne Linksaußen. Wir sind nicht Barcelona, wir brauchen zwar ein System, aber keines um des Systems willen, sondern eines, das passt. Weiß Schalke noch, wie es vor 8 Jahren unter Magath gespielt hat und dass sich der Tedesco-Fußball davon massiv unterscheidet? Nö. Wieso auch? Hauptsächlich ist für die, dass es jetzt funktioniert. Da täte Eberl ein bisschen mehr Pragmatismus gut.