ironfohlen hat geschrieben:Ein Kollege der Dortmunder ist meinte zu Tuchel, dass dieser bei den Fans nicht vertretbar sei, da er nie vor die Südtribüne getreten ist. Wenn Dortmund gegen Bayern anstinken will wären sie besser den Weg konsequent mit Tuchel weitergegangen. Einzig Favre würde ich das aktuell noch zutrauen, somit würde das leider schon passen.
Würde Favre das denn machen - vor die Südtribüne treten? Auf Kuschelkurs mit den Fans zu gehen, ist nun wirklich nicht sein Ding. Dazu musss er sich überwinden. Aus meiner Sicht betrachtet er seine Arbeit sehr rational. Er ist Angestellter eines Vereins, dessen "Tradition" ihm nicht viel bedeutet, und versucht, seine Arbeit bestmöglich zu erledigen. Erinnern wir uns doch nur, als Daems und Marx aufhörten und Favre sie trotzdem in der relativ bedeutungslosen Partie gegen Augsburg am letzten Spieltag nicht einsetzte. Da war der Aufschrei im Fanlager doch sehr groß. Ich schrieb damals noch, er sei eben so, es hätte keinen Zweck, ihn ändern zu wollen. Er könne nicht über seinen Schatten springen. Kann er das jetzt?
Und genau da sehe ich eines der Probleme, was er beim BVB hätte. Tuchel konnte sich nie wirklich aus dem Schatten des extrovertierten Klopp lösen, der sehr über die Emotion kam. Auf die Stimmung der Fans einzugehen, ist aber auch nicht Favres Ding. Er handelt so, wie er es für richtig hält und das bis an die Grenze zur Sturheit.
Hinzu kommt die Erwartungshaltung, die in Dortmund eine ganz andere als auf seinen bisherigen Trainerstationen ist. Dort konnte er regelmäßig nur positiv überraschen. In Dortmund aber wäre schon ein erneuter Pokalsieg nur eine Bestätigung dessen, was aktuell unter Tuchel bereits erreicht wurde. Da geht es um nichts weniger als um die Ablösung der Bayern von der Spitze! Auch wenn Aubameyang geht, wird es heißen, man kassiere für ihn eine solche Irrsinnssumme, dass ein hervorragender Trainer in der Lage sein müsse, diesen Verlust mit anderen Spielern zu kompensieren, zumal sie dort einige hochkarätige Talente haben.
Wir wissen aber selbst nur zu gut, dass der Abgang von Reus in der Folgesaison noch nicht aufgefangen werden konnte. Der Trainer hieß Favre und Luuk de Jong entsprach offenbar nicht seinen Vorstellungen. Selbst wenn Dortmund für Aubameyang gewaltig kassiert, ist damit keinesfalls sicher, dass sie auch nur annähernd gleichwertigen Ersatz bekommen, der schon in der nächsten Saison greift. Zudem ist fraglich, was mit dem sehr verletzungsanfälligen Reus wird. Ob "unser" Mo dort schon ein tragende Rolle spielen kann, darf man zumindest mit einem Fragezeichen versehen.
Geduld aber ist nach meinem Eindruck im Dortmund nach den Erfolgen unter Klopp und Tuchel nicht sehr ausgeprägt. Favre wird nicht so an die Öffentlichkeit treten wie Tuchel. Das ist nicht seine Art. Er packt seine Koffer oder droht zumindest damit:
....."Dafür kommt wahrscheinlich auf Sportdirektor Michael Zorc die heldenhafte Aufgabe zu, Favre alle paar Monate vom Durchhalten überzeugen zu müssen. Bei seinen Stationen in Deutschland befielen den Schweizer sehr regelmäßig mächtige Zweifel an sich selbst und am Gesamtprodukt. In Mönchengladbach brachte Zorcs Amtsbruder Max Eberl den Trainer immer wieder in die Spur. Selbst als Favre nach fünf Bundesliga-Niederlagen in Folge (eine davon in Dortmund) im frühen Herbst 2015 wieder mal alles hinwerfen wollte, glaubte Eberl an die übliche Quartals-Depression. Doch diesmal war es Favre ernst. Das geschah allerdings erst nach vier sehr erfolgreichen Jahren."
http://www.rp-online.de/sport/borussia- ... -1.6853896
Aus der heutigen RP! Auch von D. Hoeneß bei Hertha wird berichtet, dass er Favre ein paar Mal "einfangen" musste. Es hat doch keinen Zweck, die Augen vor den Schwächen eines Menschen zu verschließen, dem man völlig zu Recht dankbar für seine großartigen Leistungen bei uns ist. Nobody is perfect. Von daher würde die kolportierte Vertragsdauer von nur einem Jahr plus Option sogar Sinn machen.
Insgesamt ist es in Dortmund wesentlich unruhiger, als es bei uns war oder in Nizza ist.
Ich kann mir schon vorstellen, dass er anfangs erfolgreich ist. Dafür ist er fachlich gesehen ein viel zu guter Trainer. Dennoch vermute ich, dass er dort wesentlich früher weg sein würde als bei uns. Diesbezüglich dürfte es eher in Richtung Hertha oder Nizza gehen. Einzig und allein der Meistertitel schon in der nächsten Saison dürfte daran etwas ändern. Favre würde es nicht verstehen, wenn nach einem 2. Platz Unzufriedenheit aufkäme.
Für mich schien es so, als ob er es in Nizza perfekt angetroffen hätte. Ein aufstrebender Verein in einer schönen Stadt und in einem Land, wo er in seiner Muttersprache kommunizieren kann. Dort sollte er langfristig seine Spuren hinterlassen können. Vielleicht könnte er aber wenigstens einmal in seinem Trainerleben sich und anderen beweisen wollen, dass er auch auf der großen Bühne zurechtkommt – mit allen Begleiterscheinungen, die es dort auszuhalten gilt. Ob das für ihn persönlich wirklich gut wäre, daran habe ich ganz erhebliche Zweifel.