Seattle Slew hat geschrieben: ↑14.08.2022 23:27
1. Warum ist es für junge Spieler in Freiburg einfacher, einen Stammplatz zu bekommen, als bei der Borussia?
2. Es war vor einigen Tagen, da stimmte ich einem Beitrag von dir zu, in dem du Farke dazu "aufefordert" (also nicht so direkt wörtlich), sich auf seine Kernkompetenzen als Trainer zu konzentrieren und aus den ihm zur Verfügung stehenden Spieler im aktuellen Kader eine bundesligataugliche Mannschaft zu formen, ohne gleich neue Verstärkungen zu fordern.
Habe ich das falsch in Erinnerung? Ich finde nämlich, das passt nicht so ganz mit dem zusammen, was du hier gerade geschrieben hast.
1. Habe ich das nicht erklärt? Offenbar nicht ausführlich genug. Für die Folgen bin ich daher nicht verantwortlich.
Für Mannschaften, die - wie jahrelang Freiburg - froh waren, mit dem Abstieg nichts zu tun haben, war es schon aus wirtschaftlichen Gründen fast ein Muss, mehr auf den eigenen Nachwuchs zu setzen. Freiburg konnte sich schlichtweg keine Xhaka, De Jong, Zakaria, Thuram, Plea leisten. Die Liste könnte ich noch weiterführen. Als Kruse, aus St. Pauli verpflichtet, beim SC zündete, kauften wir ihnen den sofort ab, wenn ich mich richtig erinnere, nach nur einer Saison. Grifo kam auch aus Freiburg, Ginter über den Umweg BVB. Überspitzt könnte ich behaupten, wir waren für Freiburg das, was der BVB für uns war.
Mit ihrem kleinen, nicht wettbewerbsfähigen Stadion machten sie aus der Not eine Tugend und setzten auf den eigenen Nachwuchs, der zugegebenermaßen wohl auch mehr hergab als unserer. Mannschaften, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht anders können, müssen einfach mehr auf den eigenen Nachwuchs schauen. Und auch wenn beispielsweise Heidenheimer das nicht gerne hört, an einem Stindl oder Kramer, kam oder kommt der eigene Nachwuchs eben nicht so schnell vorbei, weil die Beiden einfach besser sind und das nach wie vor! Wir haben auch nach Favre mehrfach CL und EL gespielt, obwohl es nach Meinung eingefleischter "Favristen" nach ihm angeblich stets bergab ging. Meine Wahrnehmung ist da eine andere. In unserem Kader hätten die wenigsten Freiburger unter diesen Voraussetzungen eine Chance gehabt zu spielen, auch wenn der SC unser Angstgegner - zumindest in Freiburg - war. Das wäre schlicht nicht vermittelbar gewesen. Fällt jemand auf Anhieb ein Bundesligateam ein, das trotz ähnlicher Platzierungen im letzten Jahrzehnt regelmäßig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu Stammkräften des Bundesligateams machten? Schalke könnte man nennen. Und was hat es ihnen im Endeffekt gebracht? Die Einnahmen für die verkauften Talente wurden gnadenlos verbraten. Der aktuelle Höhenflug der Freiburger ist vorläufig nur eine Momentaufnahme. Sollte es ihnen aber gelingen, regelmäßig Europapokalplätze anzugreifen, so wie das bei uns ein Jahrzehnt der Fall war, dann wird das mit dem eigenen Nachwuchs auch dort deutlich weniger, zumal ihnen das neue Stadion bessere Möglichkeiten eröffnet. Dessen bin ich mir sehr sicher.
Für mich ist es fast so etwas wie eine Gesetzmäßigkeit: Je höher ein Team in der Tabelle angesiedelt ist und das mit einiger Regelmäßigkeit wiederholt, umso besser werden die wirtschaftlichen Möglichkeiten und umso weniger hat der eigene Nachwuchs eine Chance. Die Konkurrenz wird einfach zu groß. Ausnahmen bestätigen da nur die Regel.
2. Es ist schon wichtig korrekt zu zitieren. Ansonsten läuft man Gefahr, einem anderen etwas unterschieben zu wollen, was man (vielleicht) selbst meint. Ich schrieb:
"Aber man muss man halt mit dem leben, was der Kader aktuell hergibt." - "Man" und nicht Farke. Damit meinte ich viel eher uns Fans. Außerdem ist das kleine Wörtchen "aktuell" hier ganz entscheidend. Vor Ende der aktuellen Transferperiode muss Farke und müssen vor allem auch wir mit dem leben, was der Kader jetzt gerade anbietet und die Leistungen der Spieler auf dem Platz daran messen. Das macht er doch. Du hattest meinen Beitrag offenbar anders in Erinnerung, als er von mir gemeint war. Wenn etwa Schnelligkeit ein gravierendes Manko unseres Kaders ist, dann bringt es doch nichts auf unseren Nachwuchs zu setzen, wenn dieses Attribut dort ebenfalls Mangelware ist. Dann muss man sich anderweitig umschauen. Farke legt - auch mit ganz späten Wechseln - konziliant den Finger in die Wunde und hat Recht damit. Wobei er geschickter die Zeit von der Uhr hätte nehmen können. Das muss er sich ankreiden lassen. Aber das ist ein anderes Thema.
Ich habe so das Gefühl - Verzeihung für die Wiederholung - man misst Farke an Norwich, wo er mit Spielern aus niedrigen Ligen erfolgreich war. Aber genau dieses Beispiel betätigt doch nur meine o.a. These. Dieser Weg war für Norwich schlicht alternativlos. Einer der Spieler kam sogar aus unserem Regionaligateam und wollte studieren, weil er als Profi keine Perspektive mehr sah. Trotz aller wirtschaftlichen Zwänge kann man uns doch nicht ernsthaft mit Norwich vergleichen. Wir konnten uns Itakura leisten, für Norwich wäre das so unvorstellbar gewesen wie aktuell für Schalke. Und Norwich scheiterte mit dem Weg gnadenlos in der 1. Liga, so wie auch uns das gehen würde, wenn wir der Sehnsucht nach neuen Fohlen aus dem eigenen Stall blindlings folgen würden, auch wenn ich mir selbst das ebenfalls wünschen würde. Als ich 1965 den Aufstieg im Stadion erlebte, ging das noch. Schon in den nächsten Jahren wurde das aber bereits immer weniger - und das vor über einem halben Jahrhundert. Diese Zeiten sind aber vorbei. Hochtalentierte Spieler werden heutzutage eher verpflichtet von den Teams, die sich das leisten können. Sagte Kone nicht in der letzten Saison vor der Mannschaft – zumindest las ich das – er sei nicht zu Borussia gekommen, um gegen den Abstieg zu spielen?
Und nur irgendwie drinbleiben, dazu sind doch die Wenigsten von uns bereit. Das Anspruchsdenken ist mehrheitlich immer noch sehr ausgeprägt. Einen Aufsteiger wie Schalke müssen wir mit unseren durch die Bank besseren Spielern einfach schlagen, auch wenn es vielleicht zäh wird. Das war doch der Tenor hier. Mir wurde da schon anders. Dann die Verträge von Sommer und Thuram zeitnah verlängern und extern Spieler holen, die unsere Defizite (Tempo) ausgleichen. Da sind in der Konsequenz Ansprüche einer Mannschaft, die einen Europapokalplatz anstrebt, so wie das in den letzten Jahren immer das Zeil war. Nicht wenige haben das von Max geäußerte Postulat der Einstelligkeit als zu demütig missverstanden. Natürlich war das Ziel stets Europa. Da bleibt für ein
echtes Fohlen wie beispielsweise Reitz, der alle Jugendmannschaften Borussias durchlaufen hat, höchstwahrscheinlich kein Platz mehr, nicht einmal jetzt. Das ist die (bittere) Realität und auch die Konsequenz daraus, was unsere Fans mehrheitlich wollen. Und ja - auch ich hätte nichts gegen externe Verstärkungen - soweit dies wirtschaftlich vertretbar und vernünftig bleibt.