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von General » 19.08.2005 17:21
Veröffentlicht am 17.08.2005 um 12:17 Uhr
Quelle: dpa
Start in die zweite Karriere: Ex-Profi Herrlich bildet Junioren aus
Es fällt schwer, Heiko Herrlich alles recht zu
machen. «Mentalität und Anspruch stimmen bei manchen Talenten nicht
überein», sagt der ehemalige Fußball-Profi, der an diesem Wochenende
mit dem Nachwuchs von Borussia Dortmund in seine erste Saison als
Trainer der A-Junioren-Bundesliga startet. Mit Siegen allein will
sich der 33 Jahre alte Coach dabei nicht zufrieden geben: «Wenn wir
zur Pause 3:0 führen, erwarte ich, dass der Gegner danach auseinander
genommen wird.»
Herrlich, der für Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und
den BVB 258 Bundesliga-Partien bestritt, hat hohe Ansprüche und will
seinen Schützlingen vor allen Dingen die richtige Einstellung
vermitteln. «Ich war nie der beste Fußballer, hatte aber eine Menge
Herz und Willensstärke», sagt der Torschützenkönig der Saison 1994/95
(20 Treffer). Sein Motto sei es stets gewesen, einmal mehr
aufzustehen als hinzufallen.
Herrlich weiß, wovon er spricht. Vor fünf Jahren erkrankte der
BVB-Stürmer an einem Gehirntumor, kehrte aber schon zehn Monate
später auf den Rasen zurück. Den Krebs besiegte der 75-malige
Bundesliga-Torschütze, doch als er sich im Mai 2002 einen
komplizierten Joch- und Schlüsselbeinbruch zuzog, waren alle
Comeback-Versuche vergebens. «Eigentlich bin ich viel zu jung für das
Trainer-Geschäft und hätte lieber weiter gespielt. Aber es ging ja
nicht», sagt der fünfmalige Nationalspieler mit Wehmut.
Froh sei er gewesen, als ihm sein Verein das Trainer-Amt im
Nachwuchs anbot. «Ich habe einen Ball im Kopf und hätte auch die D-
Jugend übernommen.» Obwohl es ihm manchmal in den Füßen juckt, hütet
sich der Ex-Profi davor, aktiv am Training teilzunehmen: «Ich
beobachte lieber und zeige den Jungs ihre Defizite auf.»
Dabei versucht er, den richtigen Ton zu finden. «Ich habe früher
auch eine Menge Schrott gespielt und bin kein Schlaumeier, sondern
fordere nur eine Steffen-Freund-Mentalität», sagt Herrlich in
Anspielung auf seinen einstigen Teamkollegen, der den Ruf, ein
nimmermüder Kämpfer zu sein, oft bestätigte. «Wenn du bereit bist,
für drei Leute zu rennen, sind später auch drei andere für dich da»,
glaubt Herrlich. Er habe in jungen Jahren mit vielen Fußballern
zusammen gespielt, die talentierter gewesen seien als er. «Sie
blieben alle auf der Strecke, weil sie nicht so viel Willen und Herz
wie Steffen Freund hatten», sagt Herrlich.
Es ist ihm ganz recht, dass er auf einen bekannten Kollegen
verweisen kann und nicht immer seine eigene Leidensgeschichte
erzählen muss. Er hätte allerdings kein Problem damit, wenn er seinen
Schützlingen von seiner Tumor-Erkrankung erzählen müsste, «aber bis
jetzt hat mich noch keiner darauf angesprochen».
Herrlich hat diese Zeit abgehakt und hat Spaß an seiner neuen
Aufgabe, die er irgendwann als Sprungbrett für den Profibereich
nutzen möchte. Doch dabei ist Geduld gefragt. «Bert van Marwijk war
acht Jahre Jugendcoach, ehe er nach oben kam», blickt Herrlich auf
den aktuellen BVB-Cheftrainer. Schließlich wollen fast alle Karriere
machen: «In jeder Liga gibt es 18 Beckenbauers, trotzdem wird nur
einer Meister.»