Hier der Link dazu:Aus dem NDR Fernsehen
Boulevard / Gesellschaft | 18.02.2009 23:00 Uhr
Eingeschränkte Meinungsfreiheit - Fußballvereine kontrollieren Fan-Transparente
Judenfeindliche Sprüche wollen wir weder hören noch sehen. Auch nicht in Fußballstadien. Es geht nicht, dass solch rassistische Äußerungen bundesweit über die Fernsehbildschirme übertragen werden. Dass Vereine zunehmend mehr überprüfen, was Fußballfans so auf ihre Plakate schreiben, ist grundsätzlich also gut. Nur seit diesem Saisonstart ufert die Kontrolle irgendwie ein bisschen aus. Liebe Vereine, jetzt haltet mal den Ball flach. Wenn sich Fans plakativ über mächtige Mäzene mächtiger Vereine beschweren wollen, ist das immer noch freie Meinungsäußerung - kein Rassismus. Sebastian Bellwinkel über übertriebene Kontrolle von Fußballvereinen.
Das Stadion in Mönchengladbach. Die Fans freuen sich auf das Spiel gegen die TSG Hoffenheim. Der erfolgreiche Aufsteiger ist auch hier nicht gerade beliebt. Wenig Tradition - dafür Geld. Der milliardenschwere Unternehmer Dietmar Hopp ist der Mäzen der Provinz-Elf. Für viele Fans ist er die Symbolfigur des kommerziellen Fußballs. Das weiß auch Hopp und verkündet: „Ich gehe nur in Stadien, in denen ich nicht gefährdet bin.“ Hier in Gladbach war er nicht. Dennoch schaut einer ganz genau hin. Thomas Weinmann, der Fanbeauftragte von Borussia Mönchengladbach. Die Parole: „Tradition und Leidenschaft unbezahlbar“. Das Transparent - für ihn okay. Und deshalb vom Verein vorab genehmigt. Doch dann das: „Fußballmörder“ - ein Angriff gegen den Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp. Und gleich darüber noch eine Protest-Parole: „Stop Hopp“ - das war nicht genehmigt.
Wurfrollen auflisten
Thomas Weinmann, Fanbeauftragter Borussia Mönchengladbach: „Nein, die waren nicht angemeldet vorher. Das ist, wenn da Leute selber was machen und irgendwie reinschmuggeln - in Anführungsstrichen - dann ist es halt drin, 'ne. Da kannste nichts gegen machen.“
Nicht angemeldet ? Reingeschmuggelt ? Was viele nicht wissen: Die Fans aller Fußballvereine müssen ihre Transparente vor jedem Spiel genehmigen lassen. Der Fanbetreuer nimmt die Wünsche per E-Mail entgegen - zwei Tage vor dem Spiel. Die Gladbach-Fans listen detailliert jede Wurfrolle auf. Dazu die Texte ihrer Spruchbänder: „Stolzer Blick zurück...“, „Volle Kraft nach vorn“. Thomas Weinmann, Fanbeauftragter Borussia Mönchengladbach: „Man hat natürlich auch ein Hausrecht und möchte natürlich vorher auch wissen, was kommt da? Damit man gegebenenfalls noch sagen kann: Komm, das ist ein bisschen zu scharf. Und vielleicht ist da irgendeiner in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt oder sonst wie. Deswegen müssen wir das grob wissen.“
Sicherheitskonferenz bei Bundesligavereinen
Auch die Fußballfans aus Hoffenheim bitten höflich um Genehmigung für ihre Megaphone, Trommeln und Fahnen. Was erlaubt wird und was nicht, darüber wird in der sogenannten Sicherheitskonferenz entschieden. Die gibt es bei jedem Bundesligaverein. Hier besprechen Sicherheitsdienst, Polizei und Rettungsdienste den Ablauf des Spiels. Mögliche Sicherheitsrisiken werden erörtert - und genau auf die Texte der Fanplakate geschaut. Die Details einer solchen Sicherheitskonferenz sind nicht öffentlich. Sichtbar für jedermann sind die Botschaften der Fans. „Spielt endlich Fußball“, flehen die Dortmunder, „Unausscheidbar!“, daran glaubten die Fans des FC St. Pauli im DFB-Pokal. Bochumer solidarisierten sich mit ihrer Nummer 8, Thomas Zdebel. "Vom Verein verkauft". "15:30 Uhr". Für diesen einheitlichen Spielbeginn demonstrierten Fans in allen Stadien.
„Stop Hopp“
Dieter Bott, Soziologe FH Düsseldorf: „Seit zehn Jahren ist das Freiheitsbedürfnis, die Meinungslust, die Kritiklust gewachsen. Der DFB und die Vereine sollten stolz sein, um dieses komische Wort zu zitieren, das sie eine so lebendige Fankultur haben. Die auch mit Kritik antwortet.“ Im Zentrum dieser Kritik ist derzeit der Hoffenheim-Mäzen: „Stop Hopp“. Eine eher harmlose Parole in Gladbach. Härter war es zu Saisonbeginn in anderen Stadien. Dortmunder Fans protestierten mit diesem Transparent: „Der ungeliebte Aufsteiger“ aus Hoffenheim fühlte sich bedroht. Die Situation eskalierte medienwirksam. Der Deutsche Fußball-Bund griff ein: „DFB duldet keine Pöbeleien.“ Man werde „Beleidigungen“ gegen Hopp „sportrechtlich verfolgen“.
In Bremen griff prompt der „Hopp-Cop“ zu. So nannte „Bild“ den Fanbetreuer, der ein Transparent kassierte. „Bild“- Schlagzeile: „Hoppe, hoppe Reiter, wenn er fällt, dann schreit er.“ Fan von Borussia Mönchengladbach: „Ich mein, so’'n „Hoppe, hoppe Reiter, wenn er fällt, dann schreit er“, das ist ja nichts, was an sich zu kritisieren ist. Aber das dann zu verbieten, das ist ja schon fast, dass die Vereine ihr Hausrecht zu stark auf die Fans ausüben und in 'ne Diktatur sich wandeln. Auf der anderen Seite werden dann Sponsoren-Choreos gemacht und Fähnchen geschwenkt, wo dann der Werbepartner seine ganzen Fähnchen dann hier ausbreiten darf.“ - Dieter Bott, Soziologe FH Düsseldorf: „Das Recht, seine eigene Sicht der Dinge darzustellen, ist im Fußball überhaupt nicht verwirklicht. Und das erinnert mich mit den Transparenten an meine Zeit als Schülerzeitungsredakteur. Wir mussten noch unsere Artikel dem Vertrauenslehrer vorlegen, ehe wir sie sozusagen publizieren durften.“
Majestätsbeleidigung durchsetzen
Seit 25 Jahren erforscht Dieter Bott das Verhalten von Fußballfans. Der Soziologe beobachtet, wie sich jetzt viele Vereinsfunktionäre gegen die Fans und für Dietmar Hopp einsetzen. Dieter Bott: „Erwarten sie doch keine Wunderdinge, keine Demokraten, die mutig mit Zivilcourage da auftreten. Das ist ein konservativer Haufen, der vordemokratisch meint, noch Majestätsbeleidigung durchsetzen zu können.“ Offiziell begründen die Vereine ihre Kontrollen mit der Sorge vor rassistischen Spruchbändern. Dieter Bott: „Von Vereinsvorständen zu erwarten, dass die sensibel wären für rassistische, homophobe oder andere sexistische Angelegenheiten in Stadien, da sind wir an der falschen Adresse.“ - Reporter: „Weil?“ - Dieter Bott: „Es hat sich in der ganzen Geschichte des Fußballs gezeigt, auch in der neueren Geschichte des Fußballs gezeigt, Initiativen sind von unten gekommen. Der DFB ist mit der roten Karte gegen Rassismus immer hinterher gehinkt.“
Borussenkodex in der Kurve
Dieser Rassismus-Protest war eine DFB-Idee im WM-Jahr 2006. Viele Fans waren da schon jahrelang gegen rechts aktiv. Fan von Borussia Mönchengladbach: „Wir haben hier zum Beispiel in der Kurve 'nen Kodex, den Borussenkodex, wo das alles geregelt wurde, wie man sich hier in der Kurve zu verhalten hat und wer sich nicht daran hält - fliegt. Aber dafür brauchen wir keine Sicherheitsbeauftragten und keine Polizei - das regeln die Fans unter sich selber.“ Und deshalb schmuggeln sie ihre Anti-Hopp-Plakate ins Stadion. Der Fanbeauftragte sieht’s gelassen. Thomas Weinmann: „Wir müssen das Thema Hoffenheim einfach mal hinten anstellen. Es geht hier um Borussia. Wir müssen Borussia nach vorne singen - als Fans - und da muss man das andere einfach ausklammern. Und das ist eigentlich ganz gut gelaufen heute, fand ich.“
Ob die kritischen Anhänger das genau so sehen? Auch wenn Thomas Weinmann zufrieden Feierabend macht. Viele Fans, nicht nur hier, sind mit diesem Zustand der permanenten Kontrolle nicht so zufrieden.
http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/archiv...it100.html
Link zum Video:
youtube : watch?v=YZAAL4Z11XE
Am besten seht ihr euch das Video an, da kommt es besser rüber.