Beitrag
von Gentleman » 17.11.2017 15:33
Mittlerweile ist ist 1/3 der Saison gespielt und hier meine Gedanken zum Thema VAR/VB:
- Die Umsetzung und vorallem die Kommunikation seitens DFB/DFL ist, freundlich ausgedrückt, suboptimal
- VAR/VB helfen falsche Entscheidungen zu reduzieren
- Wir haben nun erste Erfahrungswerte zur Anwendung/Umsetzung was die Diskussion erleichtert.
Das Ziel eines solchen Systems ist es das Spiel gerechter/fairer zu machen (oft wurde angeführt, dass falsche Entscheidungen in einem Spiel Mannschaften in die zweite Liga führen können etc.).
Wenn wir uns das Spiel gegen Mainz anschauen wird klar, dass dies immer noch passieren kann. Im schlimmsten Fall nicht nur "trotz VAR/VB" sondern "wegen VAR/VB).
Die (philosophische) Frage lautet: Ist ein Spiel mit weniger Fehlentscheidungen automatisch gerechter? Nein, ist es (leider) nicht.
Beim Spiel gegen Mainz gab es aufgrund des Einsatzes von VAR/VB weniger Fehlentscheidungen als ohne. Ein irreguläres Tor der Mainzer wurde korrekterweise nicht gegeben. Ein (recht eindeutiger) Elfmeter wurde den Mainzern verweigert und Stindl durfte das Spiel zu Ende spielen.
Auch wenn man nie weiß wie das Spiel gelaufen wäre, so ist anzunehmen, dass Mainz das Spiel gewinnt wenn sie beim Stand von 1-0 einen Elfmeter zugesprochen bekommen und das Spiel mit 11-10 beenden können. Ebenso hätte ein 2-0 mit hoher Wahrscheinlichkeit an diesem Tag dazu geführt drei Punkte mit nach hause zu nehmen (Kann ich natürlich nicht beweisen, ist nur meine Einschätzung).
In diesem speziellen Fall haben wir (ungerechterweise) also extrem davon profitiert.
Natürlich wurden VAR/VB nie als Allheilmittel gepriesen, doch mir geht es darum klarzumachen, dass das Ergebnis nicht zwangsläufig gerechter wird und ich dem Einsatz deswegen nachwievor skeptisch gegenüberstehe.
Von vornherein ging es wohl auch eher darum das Gefühl eines faireren Spiels zu vermitteln. Denn wenn den Grund einer Niederlage in einer "klaren" Fehlentscheidung sieht fühlt man sich unfairer behandelt als wenn es nur eine "diskussionswürdige" Fehlentscheidung ist. Vermutlich weil man bei klaren Fehlentscheidungen eher das Gefühl hat, dass man bewusst betrogen wurde.
Grundsätzlich ist es immer schwierig den Ausgang eines Spiels an einer bestimmten Situation festzumachen (sofern sie nicht unmittelbar vor Schlusspfiff gefällt wird), denn niemand kann wissen, ob eine korrekte Einschätzung einer Szene nicht trotzdem zum gleichen oder ähnlichen Endergebnis geführt hätte.
Unabhängig davon empfinde ich den Einsatz als schwierig und zwar deshalb weil klare Abgrenzung nicht möglich ist.
Niemand möchte jede Entscheidung überprüfen und deshalb verständigt man sich sinnigerweise auf "spielentscheidende" Situationen. Doch was bedeutet spielentscheidend denn? Wirklich nur Tor, Elfmeter und rote Karte? Was ist mit einer gelben Karte die später zu einer gelb-roten führt? Was ist mit einem Freistoß/Eckball der zu einem Tor führt?
Dann heißt es nur bei "klaren" Fehlentscheidung? Wie wird das definiert? Ist es noch eine klare Fehlentscheidung wenn man eine gezeichnete Abseitslinie (zum Glück wieder abgeschafft) oder überhaupt eine Zeitlupe benötigt um zu erkennen, dass der SR falsch entschieden hat?
Ein weiterer, meiner Meinung nach essentieller, Nachteil eines solchen Systems ist, dass die Überprüfung einer Szene immer erst im Nachhinein geschehen kann. Selbst bei klaren Situation wird es 10-15 Sekunden dauern bis eine finale Entscheidung getroffen wird. In dieser Zeit kann im Spiel einiges passieren.
Hier liegt auch ein entscheidender Unterschied zum Einsatz eines Systems bei anderen Sportarten:
Im Eishockey wird überprüft ob der Puck im Tor war oder das Tor regulär erzielt wurde. Das Spiel ist unterbrochen. Da es dauernd Unterbrechungen und zusätzlich Nettospielzeit gibt - kein Problem
Im Football ist das Spiel auch nach jedem Spielzug unterbrochen. Auch hier kann während der Unterbrechung die Zeit angehalten und eine Szene überprüft werden.
Im Tennis wird die Entscheidung die zum Beenden des Ballwechsels geführt hat überprüft, ebenfalls kein Problem bzw. kein großer Eingriff in den Spielcharakter.
Fußball unterscheidet sich doch zu all diesen Sportarten erheblich. Denn teilweise vergehen Minuten, ohne, dass das Spiel durch den SR unterbrochen wird.
Letztlich wird sich der Sport immer verändern, auch der Fußball ist athletischer und schneller geworden was es den Schiedsrichtern nicht leichter macht einzelne Szenen in Echtzeit richtig zu bewerten. Daher ein großer Respekt an die Schiedsrichter die in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle korrekt in Echzeit und ohne Wiederholung/Zeitlupe entscheiden.
Früher wurden sicher genauso viele Fehler gemacht, nur konnte man es einfach nicht feststellen weil es nicht zig Kamerawinkel, Zeitlupen, hochauflösende Standbilder gab.
Wir müssen uns daher entscheiden was wir wollen. Möglichst wenige falsche Entscheidungen (was den Spielfluß komplett zerstören würde) oder einfach akzeptieren, dass es immer wieder Fehlentscheidungen gibt und geben wird. (Hinzu kommen ja noch die ganzen Entscheidungen die nicht eindeutig entschieden weden können da die Anwendung der Regel Auslegungssache ist).
Grundsätzlich halte ich die momentane Umsetzung/Idee aber für die einzig praktikable (sofern man einen VAR haben möchte).
Wie mit seinen Assistenen vor Ort, sollte der SR auch mit seinem VAR kommunizieren können, sprich anfragen oder auch gemeldet bekommen, wenn der VAR etwas gesehen hat was dem SR entgangen ist.
Ich fände es interessant wenn der VAR innerhalb einer festgelegten Zeit zu einer Entscheidung kommen müsste (z.B. 20 Sekunden) und/oder beliebig viele Kameraperspektiven nutzen kann, allerdings keine Zeitlupe zur Verfügung gestellt bekommt.