Der Zustand der Bundesliga

Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten. Wirklich? Im nationalen Fußball ist das oft anders.
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frank_schleck
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Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von frank_schleck » 10.12.2015 22:02

Nachdem ich vor 5 Jahren im jugendlichen Leichtsinn ein Loblied auf unsere Bundesliga gesungen habe und die internationale Renessaince derselben prophezeit (und Recht behalten :wink: ) habe, sieht es im Winter 2015 tatsächlich nicht mehr ganz so gut aus um den Zustand der Bundesliga.

Noch wird das Ganze von der ungebrochenen Begeisterung der neuen Stadien und die großen Erfolge der letzten Jahre, wie dem CL-Gewinn der Bayern beim deutschen Finale, oder dem WM-Triumph 2014 überdeckt. Langfristig sehe ich aber große Probleme auf uns zurollen. Und zwar von mehreren Seiten.

Zum Einen ist da die große Gefahr der Einseitigkeit, die die Bundesliga insbesondere durch die noch nie so da gewesene Bayern-Dominanz erfährt und sie krank macht. Fußball lebt von der Spannung; der Tatsache, dass man vorher nicht weiß, wie ein Spiel ausgeht. Bayern hebelt diese Regelung - unabhängig von unserem Sieg am Samstag - insbesondere national mehr und mehr aus. Keine Kritik an Bayern, sondern am System, das dies zulässt. Zur Veranschaulichung der auseinander driftenden Schere habe ich mal eine Grafik erstellt, die zeigt wie viele Punkte man seit der BL-Gründung für Meisterschaft und Platz 15 (1964 und 1965 Platz 14) benötigte.

Die fünf punktstärksten Meister der Bundesligageschichte könnten nach dieser Saison die letzten fünf sein. Zufall oder eine bedenkliche Entwicklung?

Unter dieser Einseitigkeit leiden könnte bald auch das Zuschauerinteresse - erst recht wenn sich die schleichende Preisexplosion vor allem im Sitzplatzsektor fortsetzt. Repressionen gegen aktive Fans nehmen außerdem auch immer mehr zu. Die ersten gästefanlosen Derbys oder Spiele mit reduziertem Kartenkontingent haben wir ja jetzt schon hinter uns.

Weitere Gefahr droht von Seiten der 50+1-umgehenden Retortenvereine, gegen die niemand etwas zu unternehmen scheint. Dass Vereine wie Hoffenheim oder Ingolstadt der Attraktivität der Liga nicht schon schaden ist einzig und allein der Tatsache zu verdanken, dass diese durch Attraktionen wie Darmstadt oder renommierte Clubs wie Schalke, Hamburg, Bremen oder anderen kompensiert werden können. Streichen noch fünf dieser Clubs die Segel und werden durch Leipzig, Großaspach und Heidenheim ersetzt, dann wird sich auch das Faninteresse weiter nach unten verlagern.

Damit sind wir auch schon beim nächsten Problem: derzeit spielen mit Bayer Leverkusen, 1899 Hoffenheim, dem VfL Wolfsburg, dem FC Ingolstadt und Hannover 96 fünf Vereine in der Bundesliga, die von Sonderregelungen der 50+1-Regelung profitieren, bzw. in naher Zukunft profitieren könnten. Ein Verein wie RB Leipzig schickt sich sehr bald an in noch größerem Ausmaß als die genannten Vereine als sechster 50+1-Profiteur auf den Plan zu treten. Mit etwas Pech hebelt also bald ein Drittel der Liga die als universalgültige Regel angedachte Ordnung aus. Wenn diese Vereine, die allesamt ein recht geringes Fan-Interesse und wenig Emotionen außerhalb des Platzes aufweisen können, tatsächlich eines Tages mal 3 von 4 CL-Startplätzen einnehmen, während unten das Establishment gegen den Abstieg spielt, dann wird sich das nicht positiv auf die Liga auswirken. Es muss schleunigst etwas getan werden in Bezug auf 50+1. Entweder alle müssen sich dran halten oder niemand mehr.

Ich bin beileibe kein Miesmacher oder chronischer Pessimist - ich mache mir nur Sorgen und fände es sinnvoll sich mit offensichtlichen Problematiken rechtzeitig auseinanderzusetzen, bevor man davon überrascht wird wie beispielsweise die Italiener nach ihrem Boom in den 1990er-Jahren. Die Serie A leidet noch heute unter der schweren Krise in den späten 2000ern und kommt erst sehr langsam zurück.

Wie seht ihr die Lage der Bundesliga? Habe ich recht oder übertreibe ich? In welchen Punkten stimmt ihr zu, was seht ihr anders? Freue mich auf ne Diskussion. :daumenhoch:
Seb
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von Seb » 10.12.2015 22:59

Ein sehr interessantes und spannendes Thema! Danke Frank für die Eröffnung.
quincy

Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von quincy » 10.12.2015 23:03

Kann mich deiner Meinung nur anschließen,der Fußball verkommt immer mehr zu einer Kommerzveranstaltung.
Wer das meiste Geld mitbringt wird mit wenigen Ausnahmen vorne landen und die dicken Geldtöpfe unter sich aufteilen.
Da das mittlerweile fast immer die gleichen Vereine sind wird die Schere immer weiter auseinander gehen.
Von einem sportlichen Wettkampf kann doch keiner mehr reden.
Das Spiel gegen die Bayern ist für mich das Unwichtigste der Saison,auch wenn es schön ist wenn wir die Duelle gewinnen. Verstehe auch nicht wie die Liga sich das schönreden kann.
Bin gespannt darauf ob die Zuschauerzahlen irgend wann mal einbrechen und die Sky Abo's in Vielzahl gekündigt werden wegen chronischer Langeweile.
Fußball ist ein wunderbarer Sport,der auf dem Rasen entschieden werden sollte und nicht auf dem Festgeldkonto.
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glaba666
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von glaba666 » 10.12.2015 23:07

@ Frank

Sehe ich im Wesentlichen auch so (obwohl deine Grafik mMn. einen eindeutigen Trend über die Jahre nicht erkennen lässt).

Aber ich sehe mal in meine persönliche Glaskugel:

Es wird eine "Super-Champions-Liga" geben. In dieser werden die besten zwei Vereine der finanzstärksten Ligen (Schulden der Vereine hin oder her) Europas spielen. Also Deutschland, England, Spanien, Frankreich, Italien + 2 oder 3 Ligen, die sich (nach welchen Kriterien auch immer) dort "mit einkaufen".

Diese Liga wird als absolutes Event mit eigener Vermarktung aufgebaut. Vor dem Spiel und in der Halbzeit (dann 30 Min.) eine Riesen-Show, TV-Übertragungen nur noch im Pay-TV, je 2 Monate Sommer- und Winterpause.

Einen "Auf-und Abstieg" könnte man auch noch nach finanziellen Mitteln (ähnlich der Formel1) regeln.

Es wird also eine reine Event-Liga werden. Dementsprechend natürlich auch die Eintrittspreise, Merchandising etc.

Das bedeutet also, dass

1. Die Spieler/Trainer nicht mehr über zu hohe Belastungen meckern können.
2. Die "ungerechte" Vermarktung nicht beklagt werden kann.
3. Die Top-Vereine niveau-mäßig nicht mehr unterfordert werden.
4. Das Event-Publikum endlich "seine" Art von Spielen bekommt.
5. Gelder ohne Ende generiert werden können.
6. Keine Rücksicht auf unliebsame Fans und "nostalgische" Wertvorstellungen genommen werden muss.

Sollte sich Platini irgendwie in eine Kandidatur retten können, sehe ich ihn auch als absoluten Befürworter an. Ein deutscher UEFA-Präsident würde das sowieso durchwinken.

Wenn ich es recht betrachte, kann ich dieser Art von Ausgliederung der unliebsamsten Nebeneffekte des kommerzialisierten Fussballs auch eine gute Seite abgewinnen...
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don pedro
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von don pedro » 10.12.2015 23:25

nur wird das viele geld und die retorten vereine den fussball in den abgrund schiessen.im endeffekt werden zuschauer zuhause kein sky mehr gucken,weniger zuschauer vergrault die werbefritzen und der kreislauf nach unten beginnt.mag sein das die stadien voller eventies sind aber keine stimmung kein interesse für sponsoren.
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frank_schleck
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von frank_schleck » 11.12.2015 02:03

glaba666 hat geschrieben:@ Frank Sehe ich im Wesentlichen auch so (obwohl deine Grafik mMn. einen eindeutigen Trend über die Jahre nicht erkennen lässt).
Zu der Grafik noch eine Ergänzung: Hatte erst überlegt den Durchschnittsstrich für die erreichten Punkte des Meisters (bei knapp 69) auch noch einzuzeichnen. Dann würde man nämlich sehen, dass die letzten 13 (im Sommer wohl 14) Meister mehr Punkte geholt haben als der durchschnittliche Meister in 53 Jahren. Die letzten 4 (im Sommer wahrscheinlich 5) Meister sind zudem die stärksten fünf der Bundesligageschichte. Finde das schon recht deutlich.

Der Tabellenfünfzehnte hatte außerdem bis in die Mitte der 2000er-Jahre mindestens alle 4-5 Jahre die 40-Punkte-Marke geknackt. Seit 12 Jahren allerdings gar nicht mehr, sodass kaum noch die Rede von einer 40-Punkte-Regel sein kann.

Deinen Lösungsansatz würde ich in Anbetracht der anderen Szenarien, die einem so durch den Kopf schwirren gar nicht mal so verkehrt finden.

Eine Bundesliga ohne Bayern und eventuell Dortmund? Dafür beispielsweise mit Kaiserslautern und Düsseldorf? Könnt ihr euch das vorstellen? Wäre auch mal interessant zu wissen :daumenhoch:
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HerbertLaumen
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von HerbertLaumen » 11.12.2015 09:47

Gehen die Zuschauerzahlen denn zurück? Irgendwann werden die Bayern auch mal wieder Fehler machen und dann müssen die anderen Vereine da sein.

Ja, der Kommerz wird immer größer und es wenden sich immer mehr Vereine Geldgebern zu, aber das gibt es in England schon lange und in den USA in den dort beliebtesten Sportarten noch länger und es hat nicht geschadet. Nur weil wir Fans das scheiße finden, muss das nicht das Ende des Sports bedeuten.

Zukunftsprognosen sind natürlich schwierig, aber Sportarten sind zäh und sterben so schnell nicht aus, auch wenn es große Skandale gibt wie im Radsport.
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frank_schleck
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von frank_schleck » 11.12.2015 11:29

Zu den Zuschauerzahlen: sie mögen vielleicht nicht merklich zurückgehen und Bayern wird trotz der großen Dominanz sicher auf Jahre noch 75.000 in jedem Spiel in die Arena locken können, aber Vereine wie Hoffenheim, Wolfsburg oder Leverkusen oder Ingolstadt generieren nun mal sowohl vor dem TV als auch im Stadion merklich weniger Zuschauerinteresse. Je mehr dieser Clubs in die Bundesliga kommen, desto geringer wird folglich das Interesse an ihr.
Die bisherige Ausnahmeerscheinung, dass ein Regionalliga-Spiel Aachen - RWE mehr Zuschauer hat als ein Bundesligaspiel Hoffenheim - Wolfsburg könnte sich in den nächsten Jahren häufen. Selbst wenn es also absolut gesehen in den deutschen Profiligen keinen/geringen Zuschauerschwund gibt, könnte die Bundesliga demnächst einen Zuschauerrückgang bemerken.

In dieser Hinsicht unterscheidet man sich nämlich auch vom genannten Beispiel England. Dort gibt und gab es nämlich keine Regeln, die dem Establishment verbieten, sich in Richtung von Investoren zu wenden. So wurden dort zwar (auch mit zum Teil beschíssenen Folgen) renommierte Clubs übernommen, die jetzt mit irrsinnigen Summen den Weltfußball beherrschen wollen. Provinzielle oder künstliche 50+1-Umgänger à la Hoffenheim, Wolfsburg oder Leipzig gibt es dort aber nicht - ein Einsteigen bei renommierten Clubs ist (sofern es möglich ist) eben doch attraktiver. So kann man Deutschland mit seiner 50+1-Regel und allen daraus resultierenden Folgen vllt. tatsächlich als Sonderfall bezeichnen.

Bleibt mir noch, kurz auf mögliche Bayern-Fehler in den nächsten Jahren einzugehen. Ich hoffe, trotz aller Abneigung, die ich seit 2013 gegen den Club entwickelt habe, halbwegs objektiv bleiben zu können. Mir fällt es allerdings schwer zu glauben, dass dieser Club, der in den letzten 3 Jahren die drei stärksten Meisterschaften der Geschichte eingefahren hat und über 170 Mio€ Reserven auf dem Festgeldkonto besitzt, in naher Zukunft noch mal vom Thron gestoßen wird. Die Schere gleitet immer weiter auseinander und mittelfristig gibt es außer den genannten Clubs Wolfsburg oder Leipzig da kaum jemanden, der mitziehen kann. Auf Dauer wird es der Bundesliga meiner Meinung nach schaden, wenn nur Bayern alleine oder umstrittene Vereine wie Wolfsburg oder Leipzig um die Meisterschaft spielen.
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schal+rausch
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von schal+rausch » 11.12.2015 12:23

Deine Befürchtung hinsichtlich einer Dauermeisterschaft des FC Bayern ist sicherlich begründet, und vermutlich wird der Club in Zukunft auch tatsächlich die meisten Meisterschaften einfahren; ich bin allerdings noch immer guter Hoffnung, dass verschiedene Konkurrenten - und hier schließe ich Traditionsvereine ausdrücklich ein - ihnen ab und an den Titel streitig machen können. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund:

Der FC Bayern wird mittelfristig sicher einer der potentesten Vereine bleiben, hinsichtlich seiner zu generierenden Jahresumsätze und (auch dadurch bedingt) in sportlicher Hinsicht. Dieser Club schafft es Jahr für Jahr, seine Umsätze und auch den Gewinn zu steigern, und er tut auch immer neue Quellen auf, um dieses Ziel zu optimieren - zuletzt gerne auch auf dem politischen Parkett. Folglich wird er immer wieder in der Lage sein, mit die besten Spieler, die auf dem Markt sind, für sich zu gewinnen. Noch mehr Geld in der Zukunft bedeutet noch bessere Spieler. Und dann noch mehr Geld noch bessere Spieler. Und dann noch mehr Geld..?

Irgendwann ist die mehr-Geld-gleich-bessere-Spieler-Spirale aber auch mal ausgedreht. Denn irgendwann sind die Besten Fußballer die ich verpflichte eben die Besten, und bessere gibt's eben nicht. Sicherlich werden andere, ebenfalls potente Vereine hier und da ebenfalls hervorragende Spieler verpflichten können (und: nicht immer müssen die besten Spieler auch die teuersten sein - siehe Lothar Matthäus, Marco Reus, MAtS, Chr. Kramer, Mo Dahoud...) und somit eine ernstzunehmende Konkurrenz darstellen. Zuletzt haben sowohl der BVB als auch Schalke 04 nach mehreren Jahren konstanter CL-Qualifikation die Chance dazu gehabt; beim BVB sind leider viele Spieler dem Ruf des (woanders noch mehr zu verdienenden) Geldes gefolgt, bei Schalke war die Einkaufspolitik unterirdisch. Ich hielte es für denkbar, dass andere aufkommende Vereine - wie zur Zeit zum Beispiel unsere Borussia - es schaffen, mit dem neu erworbenen, zusätzlich in der CL generieten Geld, neue Spieler zu uns zu lotsen, die uns auch spielerisch ganz neue Möglichkeiten bieten; bei weiterhin derart guter Einkaufs- und Personalpolitik eines Max Eberl könnten sich da in der nächsten Zukunft ganz neue Horizonte eröffnen.

Mit dieser Vereinsführung sehe ich Borussia auf absehbare Zeit tatsächlich als den kommenden Gegner für die Bayern. Ob andere Vereine dies auch schaffen werden, ist fraglich. Tatsächlich ist dies sicher auch und vor Allem eine Frage des Geldes, und da geht, wie du schon sagtest, die Schere halt immer weiter auseinander. Ehedem renommierte Clubs wie der VfB Stuttgart oder Werder Bremen könnten somit möglicherweise dauerhaft von der Tabellenspitze getrennt bleiben, und in der Bundesliga-Tabelle eher nach unten denn nach oben schauen müssen. Traurig, aber nicht unwahrscheinlich.

Aber im Endeffekt sehe ich für die Zukunft der Bundesliga nicht den FC Bayern als Einzelkind vor der versammelten Geschwisterschaft 17 anderer Vereine. Sondern eher eine Zwei-Klassen-Gesellschaft; mit einigen wenigen Top-Clubs, die die Titel für gewöhnlich unter sich ausmachen, und der Mehrheit der durchschnittlichen Vereine mit allenfalls Ausnahmechancen. Ähnlich - wenn auch nicht ganz so extrem - wie in Spanien, Portugal, oder den Niederlanden.

Für erstrebenswert halte ich dieses Zukunftsszenario allerdngs auch nicht.
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BILDverbrennungsAnlage
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von BILDverbrennungsAnlage » 12.12.2015 22:09

frank_schleck hat geschrieben:Die fünf punktstärksten Meister der Bundesligageschichte könnten nach dieser Saison die letzten fünf sein. Zufall oder eine bedenkliche Entwicklung?

Unter dieser Einseitigkeit leiden könnte bald auch das Zuschauerinteresse [...]

Weitere Gefahr droht von Seiten der 50+1-umgehenden Retortenvereine, gegen die niemand etwas zu unternehmen scheint. [...] Streichen noch fünf dieser Clubs die Segel und werden durch Leipzig, Großaspach und Heidenheim ersetzt, dann wird sich auch das Faninteresse weiter nach unten verlagern.

Wie seht ihr die Lage der Bundesliga? Habe ich recht oder übertreibe ich? In welchen Punkten stimmt ihr zu, was seht ihr anders? Freue mich auf ne Diskussion. :daumenhoch:
Kannst du dir die Mühe machen auch für Spanien und England, oder Italien und Frankreich mal zu untersuchen, inwieweit dort auch ein Trend entdeckt werden kann?

Beim Zuschauerinteresse muss man glaube ich unterscheiden. Die Einseitigkeit der Liga hat auf Fans denke ich nahezu keinen Einfluss (zumindest ist mir eigentlich alles egal außer Gladbach). Für neutrale Zuschauer, ich denke v.a. ans Ausland wegen Vermarktung ist das aber sicher eher schädlich. Größerer Konkurrenzkampf wäre da besser aus Vermarktungsgründen.

Bayern gehört zu den Top 3 Teams der Welt. Die anderen beiden, Real und Barca, spielen in der selben Liga. Wobei die spanische ja sowieso die stärkste Liga der Welt ist. Die restlichen Buli-Vereine hinter den Bayern konnten bisher nämlich nie so richtig konstant erfolgreich sein. Ohne die Bayern ist die Liga sehr abwechslungsreich. Einer der Verfolger - Dortmund hat die besten Chancen - wird da aber wahrscheinlich auch mal konstanter ...

Die Gefahr vom Geld oder 50+1 sehe ich nicht so. Der Grenznutzen von Geld nimmt ja ab... wobei es interessant ist zu sehen, wie unbeliebt deutsche Clubs sind, hinter den ein Investor steht. Nichtmals ein Traditionsverein wie Bayer Leverkusen ist da eine Ausnahme.
Während etwa in England jeder Club bestimmte Besitzer hat. und die englische Liga trotzdem oder deshalb die beliebteste Liga der Welt ist (aus Vermarktungssicht).. kann man drüber streiten, ob das eine kulturelle Frage ist oder die 50+1-Regel der Bundesliga verhindert hat, dass Investoren sich beliebte Clubs suchen konnten und gezwungen waren Vereine aus den Boden zu stampfen.

Ich vermute, 50+1 fällt irgendwann aus rechtlichen Gründen. Wenn nicht, verändert sich nicht so will zum heutigen Status. Man rutscht vielleicht 1-2 Plätze in der 5Jahreswertung langfristig ab. Aber Fußball bleibt in Deutschland Volkssport...
wenn 50+1 fällt, ziehen sich hingegen bestimt viele Fans zurück.. zahlenmäßig kommen aber mehr neue dazu (zumindest zahlungskräftigere/willigere).
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Johnny Cache
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von Johnny Cache » 20.12.2015 13:40

Ich bin Verfechter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie (klassischer Kapitalismus). Ergo eines absolut freien, nicht regulierten Marktes. Grund dafür ist die Effizienz des Marktes Bedürfnisse der Konsumenten (hier Fans) ideal zu decken und auf dem Prinzip von Angebot & Nachfrage schlechtes auszusortieren und gutes zu fördern. So jedenfalls funktioniert ein wirklich freier Markt, von dem wir dank des DFB nicht sprechen können.

Mir fällt die TV-Vermarktung in den Händen der Vereine ein. Wieso ist das bis heute nicht möglich? Einzig die Traditionsclubs würden fairerweise davon profitieren da nur sie genügend Kunden finden würden, die bereit wären dafür zu bezahlen. Das ist das Prinzip des freien Marktes. Ich gestehe den Retortenclubs ihre Existenz zu, jedoch sollten diese dann auch zu 100% aus eignen Mitteln finanziert werden. Es kann nicht sein, dass die Früchte der Traditionsclubs zwangskollektivistisch im Schlund derer landen die nichts dazu beigetragen haben. Wieso sollte man Solidarität mit Vereinen zeigen die nichts zum Mythos und dem Erfolg des Sports beitragen? Solidarität ist etwas freiwilliges, nicht erzwungenes und wenn man die Traditionsclubs fragen würde, würden sie jenen Clubs ohne Tradition und Kultur mit Sicherheit keine Solidarität entgegenbringen.

Habt ihr weitere Ideen/Modelle die ausschließlich jenen Vereinen zu gute käme, die auch tatsächlich etwas für diesen Sport leisten?
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von Nothern_Alex » 20.12.2015 22:59

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Schere in der Bundesliga dann noch größer werden würde. Im ersten Moment würde Bayern, Schalke, Dortmund oder auch wir davon erst einmal profitieren. Konstrukte und Kunstprodukte wie Wolfsburg, Hoffenheim, Leipzig und Leverkusen würden ihr Geld doch dennoch bekommen, weil sie nicht wirklich auf die Einnahmen durch die Fernsehvermarktung angewiesen sind. Und vielen würde es schlechter gehen, ich nenne mal exemplarisch Freiburg, die den Fußball seit Jahrzehnten mit gut ausgebildeten Fußballern versorgen. Irgendwie ist das Prinzip der Aufwandsentschädigung doch im Ungleichgewicht, die „kleinen“ Vereine haben doch keine Chance durch eine gute fußballerische Nachwuchsarbeit den Abstand zu verringern. Hier wäre mein Ansatz, die abgebende Vereine mehr an die zukünftigen Erfolge zu beteiligen, z.B. durch einen Solidaritätsfond, in dem die Vereine einzahlen müssten, die einen Erfolg erzielen.
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von Johnny Cache » 21.12.2015 14:00

Das sich an der Finanzsituation der Retortenclubs nichts ändern wird, dass haben wir auch bereits mit der Scheinregulierung des DFB. Daran wird sich also grundsätzlich nichts ändern denn Verbote und Gesetze bieten stetig Raum gebrochen zu werden. Daher fände ich es sinnvoll jene Teams zu stärken die sich maßgeblich am Erfolg und dem Ansehen des deutschen Fußballs beteiligen. Ich halte es auch für unwahrscheinlich, dass Traditionsclubs wie Freiburg & Co. dadurch weniger verdienen würden. Deren Fanbasen sind weitaus größer als die der Retorenclubs.

Um das in Gänze beurteilen zu können, insbesondere im Hinblick auf das Gedankenspiel der Befreiung der Vereine, müsste man tatsächlich mal erörtern wo die Kohle liegt bzw. wo sie maßgeblich verdient und durch den DFB verteilt wird.

Gerade im Beispiel der Freiburger Nachwuchsarbeit haben die deutschen Vereine doch ein großes Interesse daran, dass dies auch weiterhin passiert. Würde es bspw. nicht genügen, wenn die Vereine einfach mehr für die potentiellen Spieler verlangen würden?

Dein Ansatz mit der Zwangssolidarität ist die gleiche wie jene heute, nur das eben die Ausschüttungen anders verteilt würden. Das ist meiner Meinung nach kein tatsächlicher Fortschritt. Die Vereine müssen zwangsläufig ein Interesse haben, dass die Konkurrenzfähigkeit in der Liga aufrecht erhalten bleibt, da ansonsten das Interesse am Sport verloren geht, wenn die Ergebnisse aufgrund der großen Klassenunterschiede bereits vorher fest stehen.
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von Rhombus » 23.12.2015 10:06

Die Bundesliga wird in den nächsten Jahren auch englische Verhältnisse bekommen was die Investoren/Besitzer anbelangt.
Warum? Weil der DFB/DFL die 50+1 Regel in Wirklichkeit gar nicht mehr wollen. Die suchen nur nach einem Weg um das ganze mit möglichst wenig Getöse aufzulösen.
Je mehr Firmen und "reiche mächtige Leute" sich in der Bundesliga/deutschen Fußball tummeln, desto mehr wird der Fußball aufgewertet und einflußreicher. Was glaubt ihr wie stolz die DFB-Funktionäre wären, wenn die Bundesligavereine teilweise einen Marktwert wie ein DAX-Konzern hätten.
--> Macht und Einflussnahme würden gewaltig steigen. Und welcher "Herrscher" träumt nicht von viel Macht und noch mehr Geld?
Man sieht ja jetzt schon, daß sich Konzerne wie Lufthansa und MAN dem FC Bayern regelrecht anbiedern und "stolz sind ein Partner der Bayern zu sein". Früher war es umgekehrt, da waren die Vereine noch froh, wenn ihnen eine Firma überhaupt ein paar Mark rüberschob. Und heutzutage kann sich Bayern die Sponsoren selber aussuchen. Welcher Verein träumt nicht davon?

Mein persönliches Fazit: Geld regiert die Welt und die Bundesliga ist auch nur ein Stück von der Welt. In unserer Welt dreht sich alles nur um Geld und noch mehr Geld. Warum sollte da unsere Bundesliga eine Ausnahme bilden?
Was glaubt ihr wie gewisse 50+1-Vertreter ihre Meinung ändern, wenn sie statt 300 000 Jahresgehalt beim DFB/oder Bundesligaverein auf einmal 3 Mio bekommen würden?

Alle Medien springen auch auf den Fußballhype auf und wollen Anteile (Einschaltquoten, Zeitungen verkaufen, Klicks etc.).
Wenn man sieht wie jetzt auch die ARD und ZDF den Fußball bildzeitungsartig huldigen und keine anderen Themen in den Sportsendungen mehr haben als irgendwelchen Fußballblabla, dann bekommt das schon Ausmaße wie bei einer Propaganda wo den Leuten irgendwas eingetrichtert werden soll um sie glauben zu machen, daß das alles wichtig sein soll. Dahinter steckt auch nur eine Geldmaschine die angezapft wird.

Und nein, es wird keinen Schaden anrichten bei den Fans. Fansein ist wie eine Droge, wir werden niemals davon loskommen. Die meisten Fans träumen sogar von einem großen Investor, egal welcher Verein.
Das Feigenblatt heißt dann: "Das ist doch unsere einzige Chance nicht unterzugehen."

Fan von einem Verein wird man eh als Kind, wenn man infiziert wird. Da denkt man an sowas nicht.

Im Grunde ist der Fußball sowieso nur Showbusiness. Fußball ernst nehmen heißt eigentlich nicht zu wissen, was wirklich wichtig ist.

Das Beispiel ist Amerika: Egal welche Sportart, die Fans wissen alle, daß es nur Showbusiness ist. Deswegen gibt es dort auch nie Fanausschreitungen, weil die Fans dort nicht fanatisch sind.
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Re: Der Zustand der Bundesliga

Beitrag von Johnny Cache » 27.12.2015 16:53

Zum Fan-Dasein muss man dich darauf hinweisen, dass sich in Deutschland bereits einige vom Fußball abgewandt haben, da ihnen die Kommerzialisierung nicht passt. Je mehr wir englische Verhältnisse annehmen, desto schneller verschwindet auch die echte Fankultur. Mit der Fankultur wird auch das Interesse daran schwinden den Sport auszuüben und damit endet auch die enorme Qualität des Nachwuchsbereichs. Wenn die Säcke beim DFB also clever sind und nicht bloß auf kurzzeitig steigende Kontostände aus sind, dann werden sie dem Trend hin zu englischen Verhältnissen abschwören. Ich gebe dir jedoch Recht, dass wie in der Politik das Motto "nach uns die Sinnflut" gilt. Es wird also an den Clubs liegen ob sie die Entscheidungen des DFB auf lange Sicht weiter tragen möchten, oder aber dagegen aufbegehren.

Behauptest du übrigens wirklich das es in den USA keine Hool-Gewalt gibt? Dann bist du mächtig schief gewickelt!

http://www.huffingtonpost.com/2011/08/2 ... 32795.html

http://www.n-tv.de/sport/Schwere-Aussch ... 15057.html

http://www.spiegel.de/sport/sonst/fans- ... 87073.html

und so weiter und so fort....
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